Du hast das Gefühl, dass in deiner Organisation noch nicht das volle Potenzial von Prozesskennzahlen ausgeschöpft ist? Du bist dir nicht sicher, ob die richtigen Prozesskennzahlen gemessen werden? Oder gar: Du erhebst noch keine passenden Prozesskennzahlen systematisch?
Zunächst eine Beobachtung vorab: Zu diversen Managementbereichen gibt es Kennzahlen-Klassiker wie EBIT, Anzahl Neukunden, Fluktuationsquoten, Reklamationsquoten oder Ausschussmengen. Diese haben den Vorteil der hohen Vergleichbarkeit, da sie von vielen anderen Organisationen in gleicher Weise erhoben werden. Doch sind diese Kennzahlen tatsächlich immer auf deine strategischen Steuerungsbedarfe zugeschnitten? Mit dem Modell Aachen-Ansatz wollen wir dir einen Weg in 6 Schritten aufzeigen, wie du zu individualisierten Kennzahlen gelangst.
Der Modell Aachen-Kennzahlen-Ansatz im Überblick:
Schau auf deine aktuelle Strategie und deine Ziele. Was sind dort gerade die Engpässe bzw. die besonders sensiblen Aspekte, welche darüber entscheiden, ob du deine Strategien umsetzen und/oder deine Ziele erreichen kannst? Wodurch begründen sich deine Wettbewerbsvorteile in deinen Absatz- und – immer wichtiger – auch in deinen Beschaffungsmärkten?
Nicht immer sind Strategien und Ziele in Organisationen explizit ausformuliert. Typische Quellen, um Antworten zu finden, sind neben ausformulierten Visionen und Unternehmensstrategien auch Gespräche mit Vertriebsmitarbeitern, welche „mit der Hand am Markt“ ein Gefühl dafür haben (sollten), wie sie sich vom Markt absetzen.
Beispiel der Max Mustermann GmbH: Die Max Mustermann GmbH will sich durch eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Individualität von Kundenaufträgen vom Wettbewerb abheben. Entscheidend ist hierbei, dass auch die individuellsten Aufträge eine hohe Durchführungsgeschwindigkeit im Vergleich zum Wettbewerb haben.
Um die Prozesskennzahlen an den richtigen Stellen in der Prozesskette einzusetzen, solltest du nun ausgehend von deiner Strategie deine Haupt-Prozessketten betrachten und auf ihren Beitrag zu Erreichung der Unternehmensziele abklopfen. Hierbei macht es gegebenenfalls Sinn, den Fokus auf Prozesse zu lenken, die momentan zu Schwierigkeiten führen oder die nicht vollumfänglich beherrscht sind. Oftmals hat sich in der Praxis gezeigt, dass an diesen Stellen die größten „Knackpunkte“ für die Strategieumsetzung liegen.
Beispiel der Max Mustermann GmbH: Bei der Max Mustermann GmbH soll daher die Auftragsabwicklung von Kundenanfrage bis Auftragsauslieferung betrachtet werden.
Nun gilt es, die konkreten Prozessergebnisse der ausgewählten Prozesskette festzulegen. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, dass nicht nur der Output des Gesamtprozesses betrachtet wird, sondern auch die Zwischenergebnisse, die aus der Prozesskette hervorgehen und Einfluss auf das Gesamtergebnis haben.
Beispiel der Max Mustermann GmbH: Die Auftragsabwicklung der Max Mustermann GmbH hat im Wesentlichen zwei Ausgänge:
A) Der Kundenauftrag wird nach der individuellen Spezifikation erstellt, die Inbetriebnahme geplant, die Mitarbeiter des Kunden trainiert und der Auftrag in Planzeit ausgeliefert. Oder …
B) … der Auftrag wird abgelehnt.
Um mit chirurgischer Genauigkeit die bedeutenden Einflussgrößen zu messen und einem unscharfen Prozesskennzahlen-Dschungel vorzubeugen, empfiehlt es sich nun, ausgehend von den Prozessergebnissen, zu fragen: “Welche Voraussetzungen müssen eintreten, damit die spezifisch bestimmten Prozessergebnisse erreicht werden?” “Was darf nicht schiefgehen?” Mit den Antworten auf diese Fragen erhältst du deine Liste der Erfolgsfaktoren. Filtere diese Liste nun danach, wie bedeutsam diese Aspekte für den Prozess sein können. So erhältst du die kritischen Erfolgsfaktoren des Prozesses. Der kritischste Erfolgsfaktor zeichnet sich dadurch aus, dass er die größte Sensitivität für das Prozessergebnis aufzeigt.
Beispiel der Max Mustermann GmbH:
Allgemeine Erfolgsfaktoren der Prozesskette:
Reaktionszeit zwischen Kundenanfrage und der vertrieblichen Erstbearbeitung der Anfrage.
Korrektheit der Aussage über die technische Machbarkeit (Grobprüfung).
Detaillierungsgrad der Anforderungen vor Beginn der Planung der Umsetzung.
Korrektheit der Kalkulation der Preisobergrenze.
Korrektheit der Aussage über die technische Machbarkeit (Detailprüfung).
Geschwindigkeit des Kommunikationsprozesses zwischen Kunde und der Max Mustermann GmbH.
Kritischer Erfolgsfaktor (KEF) der Prozesskette: In Experteninterviews konnte herausgearbeitet werden, dass der kritischste Erfolgsfaktor der allgemeinen Erfolgsfaktoren die korrekte Grobprüfung der technischen Machbarkeit ist. Ob man hierbei „richtig liegt“, hat gleich zweifach Auswirkung auf die Zielerreichung der strategischen Ausrichtung: Man nimmt die richtigen Aufträge an, lehnt die falschen Aufträge ab und schafft es dadurch, die Durchlaufzeiten der richtigen Aufträge zu verringern.
Um aus dem kritischen Erfolgsfaktor nun eine zielführende Prozesskennzahl abzuleiten, musst du dir insbesondere darüber Gedanken machen, wie dieser KEF zu messen ist. Vergewissere dich, ob Daten zur Messung vorhanden sind oder mit überschaubarem Aufwand generiert werden können.
Hierbei kannst du sowohl Primär-, als auch Sekundärdaten verwenden. Primärdaten ermöglichen einen direkten Zusammenhang zum KEF, während bei Sekundärdaten kein direkter Zusammenhang besteht. Bei der Erhebung der Daten ist darauf zu achten, dass der Aufwand der Erhebung in einem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen der Kennzahl steht. Sollte der Aufwand deutlich größer als der Nutzen sein, ist die Kennzahl nicht für eine regelmäßige Überwachung sinnhaft.
Beispiel der Max Mustermann GmbH: Anteil der Grobprüfungen der Großaufträge (>100 k €), deren technische Machbarkeit von Produktmanagern mit über 3 Jahren Betriebszugehörigkeit durchgeführt wurde. So wird sichergestellt, dass der Fokus auf den richtigen Projekten liegt.
Nachdem die Prozesskennzahl des KEF definiert ist, kann sie ihren vollen Nutzen entfalten. Nur wenn die Prozesskennzahl im Alltag der Prozessverantwortlichen berücksichtigt wird, kann der Prozess über die Prozesskennzahl gelenkt werden. Sollte eine Prozesskennzahl Ergebnisse über die Prozesskette hinweg überwachen und so niemandem direkt zuordenbar sein, kann es hilfreich sein, die Verantwortlichkeit für die Kennzahl explizit zu vergeben. Hierzu ist eine systematische Überwachung notwendig. Die Erfahrung zeigt, dass ein Kennzahlensteckbrief bei dieser systematischen Überwachung helfen kann. Der Kennzahlensteckbrief kann zum Beispiel folgende Informationen beinhalten:
Beispiel: Es wurde ein Kennzahlensteckbrief im Managementsystem erstellt. Die Prozesskennzahl wird im monatlichen Qualitätszirkel erhoben.
Die Kundenanfragen im CRM-System werden wie folgt gefiltert:
Es wird der Quotient gebildet aus der Summe der Aufträge, bei denen die „Durchführende Person“ > 3 Jahre betriebszugehörig ist, durch die Summe aller Kundenanfragen des Zeitraums. Die prozessverantwortliche Person interpretiert diese Zahl im Zeitverlauf, es kann beispielsweise Knicke durch Urlaube geben und trifft gegebenenfalls steuernde Maßnahmen.
Kommst du nach intensiver Prüfung zu dem Schluss, dass der als KEF identifizierte Sachverhalt nicht präzise genug oder nur unter extrem hohem Aufwand mit Blick auf die zu generierenden Daten als Kennzahl abgebildet werden kann, habe den Mut zur Lücke! Eine nur unzutreffend zugeschnittene Kennzahl kann dann langfristig zu einer Fehlsteuerung verleiten.
Praxistipp: Solltest du dein Managementsystem bereits in einem Q.wiki abgebildet haben, empfiehlt sich dieses Vorgehen auf der Ebene der Prozessübersicht zu tun. So wird der Detailierungsgrad für eine Prozesskennzahl auf einem berechenbaren Niveau gehalten.
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Prozesskennzahlen stellen Messgrößen dar, um Geschäftsprozesse zu überwachen, zu analysieren und zu bewerten. Prozesskennzahlen bieten daher in der Theorie die Grundlage zur Steuerung von Prozessen.