Wenn man sich mit Prozessen oder Organisationen beschäftigt, kommt man früher oder später am Thema Rollen vorbei. Idealerweise nimmt man sich dann die Zeit, um über die Zusammenhänge von Organisation, Prozess(management) und Rollen(management) nachzudenken und die eigene Unternehmenspraxis dahingehend zu reflektieren. Mit unserer Fachreihe zum Thema „Prozessmanagement und Rollen“ möchten wir dich dabei unterstützen. Der erste Teil unserer Fachreihe beleuchtet zunächst verschiedene Arten von Rollen und zugehörige Missverständnisse.
Wie eng Prozessmanagement und Rollenmanagement miteinander verbunden sind, zeigt schon die Vielzahl der Prozessmanagementrollen. Da gibt es
Und die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.
Die genannten Beispiele sind Prozessmanagementrollen. Diese sind wichtig, allerdings fokussieren sie keine spezifischen Unternehmensprozesse, sondern eben nur die Rollen im übergreifenden Prozessmanagementprozess.
Neben den Prozessmanagementrollen gibt es noch Prozessrollen. Anhand von Prozessrollen findet die Zuweisung der Verantwortlichkeit zu einzelnen Prozessschritten statt. Während die Beschreibung von Prozessschritten beinhaltet, was (und im besten Fall auch wie etwas) getan wird, beantwortet die Nennung der Prozessrolle also die Frage danach, wer es tut. Prozessrollen stellen Klarheit darüber her, wer für die Durchführung eines Prozessschritts innerhalb eines Prozesses verantwortlich ist.
Ein Beispiel:
Dass unterschiedliche Menschen die einzelnen Prozessschritte innerhalb eines Prozesses durchführen, ist eine wesentliche Kerneigenschaft von Prozessen. Mit dieser Arbeitsteiligkeit gehen wechselnde Verantwortlichkeit zur Durchführung einzelner Prozessschritte, also Schnittstellen einher. Ein wirksames Mittel, um Klarheit bezüglich von Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zu schaffen, sind Rollen(beschreibungen). Das macht deutlich: Für wirksames Prozessmanagement ist gutes Rollenmanagement unverzichtbar.
Es gibt verschiedene Arten von Prozessrollen:
Linienrollen entsprechen der Aufbaustruktur einer Organisation. Häufig werden Linienrollen verwendet, um Stellen auszuschreiben und zu besetzen. Eine klassische Linienrolle ist beispielsweise die Teamleitung Einkauf.
Technische Rollen gehen häufig mit den (System)-Berechtigungen einher, die die Rolleninhaber besitzen. Einzelne Prozessschritte können etwa nur durch den SAP-Administrator oder den Key-User durchgeführt werden.
Globale Rollen gehen aus (gesetzlichen) Vorgaben hervor. So verantworten globale Rollen wie der Datenschutzbeauftragte oder der Brandschutzbeauftragte prozessübergreifende Querschnittsthemen.
Das Beispiel des Datenschutzbeauftragten zeigt, dass die verschiedenen Rollentypen nicht absolut trennscharf sind: Die globale Rolle des Datenschutzbeauftragten kann auch als Linienrolle innerhalb der Aufbaustruktur etabliert werden. Dies geschieht meist dann, wenn die Rolle mindestens den Aufwand einer ganzen Stelle benötigt. Aufgrund solcher Abhängigkeiten ist es umso wichtiger, Klarheit über die eigenen organisationsspezifischen Rollen(verständnisse) herzustellen.
Eine weitere Rollenart sind die situativen Rollen. Sie sind gesondert zu betrachten, denn die situativen Rollen werden immer dann wichtig, wenn weder eine Linienrolle noch eine technische oder globale Rolle den Prozessschritt ausführt. Hier geht es etwa um den Urlaubsantragssteller, den BANF-Auslöser im Einkaufsprozess oder den Anruf-Entgegennehmer im Kundenanfrageprozess. Situative Rollen beschreiben Verantwortlichkeiten, die häufig nur in einem oder wenigen Prozessen auftauchen. Gerade in diesen Rollen drückt sich die Individualität von Organisationen aus.
Genau betrachtet sind die eingangs aufgeführten Prozessmanagementrollen demnach situative (Prozess-)Rollen, die innerhalb des Prozessmanagementprozesses für einzelne Prozessschritte verantwortlich sind.
Vollkommen unabhängig von der Art der Prozessrolle gilt: Rollen sind organisational normiert. In ihrer Beschreibung spiegeln sich nicht nur Aufgaben, Rechte und Pflichten wider, denen Rolleninhaber nachkommen sollen. Sie geben auch einen bestimmten Handlungsraum vor, in dem es wahrscheinlicher wird, dass Rolleninhaber tätig werden. Oder anders ausgedrückt: Rollen beinhalten Erwartungen und geben Orientierung.
Ein wesentliches Merkmal von Rollen ist es, dass sie personenunabhängig sind: Für den Prozessschritt „Angebot freigeben“ im Angebotsprozess ist die Rolle Angebotsersteller verantwortlich – nicht Hendrik Maier, selbst wenn er diese Rolle in den meisten Fällen übernimmt. Warum das so wichtig ist? Durch die personenunabhängige Rolle bleibt die Prozessbeschreibung auch aktuell, wenn Hendrik Maier die Organisation verlässt oder die Position innerhalb des Unternehmens wechselt.
All dies zeigt deutlich: Prozessmanagement und Rollenmanagement gehören zusammen. Einerseits muss klar sein, wer für einzelne Prozessschritte verantwortlich ist, um Prozesse vollständig dokumentieren und in der Praxis wirksam machen zu können. Nur so werden Schnittstellen deutlich, Informationsflüsse und Prozesse steuerbar. Andererseits sind Rollen kaum ohne Nennung konkreter Tätigkeiten denkbar, die durch die jeweiligen Rolleninhaber durchgeführt werden (sollen). Welche Tätigkeiten das sind, geht idealerweise aus Prozessbeschreibungen hervor.
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Teil II hier lesen >> Wie man Rollen prozessorientiert beschreibt und warum das so wichtig ist
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Im zweiten Teil unserer Fachreihe “Prozessmanagement und Rollen” vergleichen wir die AKV-Matrix mit der VMI-Matrix und erklären, wieso Rollen möglichst prozessorientiert beschrieben werden sollten.