Prozessdigitalisierung bedeutet (Teil-)Automatisierung von Geschäftsprozessen und trägt wesentlich zur Effizienzsteigerung sowie zur Compliance in Unternehmen bei. Das Prinzip der No-Code-Prozessdigitalisierung ermöglicht es nun auch den Fachbereichen selbst Prozesse zu digitalisieren, was auf Grund der Programmierkenntnisse bisher meist den IT-Abteilungen vorbehalten war. Process Mining wiederum ist eine moderne Technik der Prozessanalyse. Zusammen ermöglichen sie den Fachabteilungen einen hochdynamischen und wirksamen Kreislauf aus Prozessgestaltung (No-Code-Digitalisierung) und Prozessanalyse (Process Mining), ohne, dass jemals auf die Engpassressource „IT-Abteilung“ zurückgegriffen werden muss.
BEGRIFFSDEFINITION:
Prozess: reale, sich wiederholende Tätigkeit
Prozessbeschreibung/-model: verschriftliche Beschreibung eines Prozesses
Workflow: softwaretechnische (Teil-)Automatisierung eines Geschäftsprozesses
In den meisten Unternehmen teilen sich die Prozessverantwortlichen und die Managementsystem-Experten die Verantwortung zur Verbesserung von Prozessen. Um Verantwortlichkeiten, Informationsflüsse etc. vor allem an den organisatorischen Schnittstellen zu klären, werden Prozessbeschreibungen beziehungsweise Prozessmodelle erstellt. Anhand dieser können Verbesserungen zielführend diskutiert, kommuniziert und deren Einhaltung auditiert werden. Um Rückfragen und damit Rücksprünge in Prozessen zu vermeiden, spielt Vollständigkeit von Informationen an Prozessschnittstellen eine besondere Bedeutung. An dieser Stelle wird häufig mit (Office-)Formularen gearbeitet, die ausgefüllt per E-Mail an alle relevanten Adressaten gesendet werden. Ab einem bestimmten Punkt führt diese Form der organisatorischen Optimierung von Prozessen jedoch zu keiner nennenswerten Verbesserung mehr.
Großes Potenzial liegt häufig in der (Teil-)Automatisierung von Prozessen durch den Einsatz geeigneter prozessunterstützender Software, wie beispielsweise eines Warenwirtschaftssystems, eines CRM-Systems oder anderer Workflow-Software. Allerdings sind die Fachabteilungen im Allgemeinen nicht in der Lage, die entsprechenden Systeme zu programmieren oder anzupassen, sodass für diesen Schritt in der Regel IT-Experten erforderlich sind. Letztendlich bleiben den Fachabteilungen somit zwei Optionen. Entweder selbst auf Bordmittel wie Excel und E-Mail mit beschränkter Wirksamkeit zu setzen oder mit großer Wartezeit, zusätzlichen Kosten und Kommunikationsschwierigkeiten mit der IT-Abteilung zusammenzuarbeiten.
Der aktuelle Trend der No-Code-Digitalisierung vereinfacht die Digitalisierungsaufgabe derart, dass der Fachbereich selbst befähigt wird, Prozesse eigenständig zu digitalisieren und damit softwaregestützt ablaufen zu lassen. Ohne eine einzige Zeile Quellcode verstehen oder gar schreiben zu müssen, kann ein IT-Laie dank eines zugrundeliegenden Baukastenprinzips eine Applikation mit integriertem Workflow per Drag and Drop selbst grafisch zusammenzusetzen. Das Prinzip der No-Code-Digitalisierung verknüpft daher die Funktionalität professioneller Workflow-Software mit der Einfachheit von Bordmitteln. Zusätzlich ist auf diese Weise die Fach- und Digitalisierungskompetenz in den Fachabteilungen vereint, was Kommunikationsbarrieren eliminiert und den Digitalisierungsengpass „IT-Abteilung“ auflöst.
Solche Applikationen bestehen aus vier Komponenten:
Kern der Applikationen ist dabei der Workflow, der definiert, in welchem Zustand sich ein Vorgang befinden kann, welche möglichen Übergänge von einem Zustand in einen anderen Zustand existieren und welche Aktionen dabei ausgelöst werden sollen. So kann beispielsweise ein Urlaubsantrag in dem Zustand „beantragt“ und „freigegeben“ sein. Der Übergang zwischen diesen Zuständen könnte „freigeben“ genannt werden und löst beispielsweise automatisch eine Nachricht an den Antragssteller aus, dass der Urlaubsantrag freigegeben wurde.
Die Eingabemaske entspricht etwa einem herkömmlichen Formular. Mit den Rollen und Rechten wird definiert, wer welchen Antrag in welchem Zustand sehen und/oder bearbeiten darf (oder welchen Teil dessen). Die Übersichten und Auswertungen ermöglichen eine gute Übersicht über die Vorgänge für die unterschiedlichen Interessensgruppen im Sinne eines „Single Point of Truth“ mit zentraler Datenhaltung bei dezentraler Bearbeitung.
Besonders attraktiv wird die No-Code-Digitalisierung, wenn sowohl initial auf einfachste Art und Weise Applikationen mit integrierten Workflows erstellt als auch im laufenden Betrieb modifiziert werden können, ohne, dass die bestehenden Datensätze darunter leiden. Können jederzeit Felder der Eingabemaske, der Workflow, die Rechte und Rollen als auch die Übersichten angepasst werden, spricht die Modell Aachen GmbH von agiler No-Code-Digitalisierung. Damit können Applikationen schnell und einfach in Betrieb genommen werden und kleinschrittig nach und nach erweitert, verändert und verbessert werden – ganz so, wie die Organisation über die Zeit lernt und sich verändert.
Ein wichtiger Schritt im Prozessmanagement ist die Modellierung des Ist-Prozesses. Hierzu standen in der Vergangenheit zwei grundsätzliche Ansätze zur Verfügung: zum einen das Interview, zum anderen die Beobachtung. Beide haben gravierende Nachteile.
Das Interview ist weniger zeitaufwändig, führt jedoch zu starker Vereinfachung, zu subjektiver Verfälschung und zu einer Vermengung von Soll- und Ist-Prozessbeschreibung. Die Beobachtung eines Prozesses ermöglicht deutlich realitätsnähere Ergebnisse, führt andererseits zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand. Seit einigen Jahren existiert eine dritte Option der Prozessaufnahme – das Process Mining. Dabei wird auf Basis der digitalen Spuren, die die Mitarbeiter in IT-Systemen im Arbeitsalltag hinterlassen, der real durchgeführte Geschäftsprozess in allen seinen Varianten rekonstruiert. Die Einrichtung von Process Mining ist gerade bei komplexen Prozessen aktuell noch recht zeit- und kostenintensiv, die Durchführung allerdings automatisiert und objektiv. Besonders gut für Process Mining geeignet sind Vorgänge, die zu einem Großteil in einem einzigen IT-System durchgeführt werden, wie zum Beispiel in einem Warenwirtschaftssystem. An Systemgrenzen verlieren sich schnell die Vorgänge und eine Rekonstruktion der gesamten Prozesskette wird erschwert.
Neben der Identifikation von Prozessen („discovery“), dient Process Mining auch der Konformitätsprüfung („conformance“) und der Analyse und Verbesserung („enhancement“) von Prozessen. Bei der Konformitätsprüfung („conformance“) wird der Ist-Prozess auf Basis der Datenauswertung mit dem Soll-Prozess verglichen und Abweichungen automatisiert identifiziert. Dieser Ansatz hat das Potenzial das Thema Auditierung zu revolutionieren. Bei der Analyse und Verbesserung („enhancement“) wird der real durchgeführte Prozess hinsichtlich diverser Faktoren bewertet. Typischerweise ist das die Verteilung, welche Prozessvariante wie häufig durchgeführt wurde, wie viele Vorgänge sich in welchem Zustand in Bearbeitung befinden, die Durchlauf- und Wartezeiten und ähnliches. Diese Auswertung wird häufig grafisch in einem Dashboard aufbereitet und kann entweder manuell zur Prozessoptimierung genutzt werden oder – und das ist aktueller Gegenstand der Forschung – automatisiert zur Optimierung des Workflows und damit des Prozesses genutzt werden.
Process Mining hat in den letzten Jahren einige stark wachsende Anbieter hervorgebracht. Diese konzentrieren sich häufig auf die Analyse von Vorgängen, die zum Beispiel in Warenwirtschaftssystemen durchgeführt werden und erfordern nennenswerten vorbereitenden Aufwand, bis die erste kundenindividuelle Analyse durchgeführt ist. Zusätzlich zu den hohen initialen Kosten kommt die Herausforderung, dass die Workflow-Software häufig auf Basis der Erkenntnisse des Process Minings nicht „mal eben“ anpassbar ist. Das heißt: Einer aufwändigen Prozessanalyse folgt eine kostenintensive Änderung an einer Standard-Software. Dieser Ansatz des Process Minings lohnt sich in erster Linie für Prozesse mit hohen Prozesskosten, die sehr häufig durchgeführt werden wie beispielsweise Kreditantragsprüfung einer Großbank.
Der Ansatz von Process Mining für No-Code-Digitalisierung geht die Herausforderung von anderer Seite an. Wird durch ein Process Mining eine Erkenntnis gewonnen, soll diese mit minimalem Aufwand auf Grund der agilen No-Code-Digitalisierung unmittelbar von dem Fachbereich in den Workflow eingebracht werden können. Durch die Anpassung verändert sich das Nutzerverhalten und das integrierte Process Mining generiert infolge der nächsten Prozessdurchläufe veränderte Prozessanalyse-Ergebnisse. Zunächst kann so die Wirksamkeit einer eingebrachten Anpassung überprüft werden. Darüber hinaus kann auf diese Ergebnisse unmittelbar durch die Fachabteilung mit weiterführenden Applikations- und Workflowanpassungen reagiert werden. So kann ausgesprochen agil und dynamisch ein idealer Betriebspunkt eines Prozesses erarbeitet werden – ohne, dass der ausgemachte Engpass “IT-Fachabteilung” involviert werden musste.
Aktuell liegt die Limitierung der No-Code-Digitalisierung darin, dass der Baukasten den Funktionsumfang No-Code-digitalisierter Applikationen limitiert. Je größer der Funktionsumfang des Baukastens ist, desto schwieriger wird dessen Anwendung durch IT-Laien. Besonders, wenn es um Anbindung an andere Systeme und die damit verbundenen Schnittstellen geht, kommt No-Code-Digitalisierung derzeit noch schnell an seine Grenzen. Letztendlich bedeutet das, dass die erarbeiteten Applikationen im Vergleich zu beispielsweise Warenwirtschaftssystemen, eine überschaubare Komplexität haben.
Dennoch deutet sich großes Potenzial von Process Mining für No-Code-Digitalisierung an – zum Beispiel für
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Process Mining für No-Code Digitalisierungsplattformen – ProMiDigit“ (01IS20035) startete im Juli 2020 mit einer Laufzeit von 2 Jahren. Neben der Modell Aachen GmbH sind die RWTH Aachen, die Protection One GmbH und die Spedition Berners Mitglieder des Forschungs-Konsortiums. Während dieser Beitrag den Ansatz und Ergebnisse vorstellt, die zunehmend Marktreife erlangen, werden wir im kommenden zweiten Teil auf „regelbasierte Handlungsempfehlungen“ eingehen. Sie stellen eine teilautomatisierte Form der Prozessoptimierung auf Basis des Process-Mining-Prinzips „enhancement“ dar und sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten.
Sowohl das Process Mining als auch das Prinzip der No-Code-Digitalisierung sind große Trends im Softwaremarkt. Aufgrund der starken Synergieeffekte werden die beiden Ansätze verstärkt in Kombination eingesetzt. Clevere prozessunterstützende Software ermöglicht die Symbiose aus Process Mining und agiler No-Code-Digitalisierung dabei zunehmend: Je nach Komplexität können Fachabteilungen Applikationen mit Hilfe einer nutzerfreundlichen Workflow Engine in wenigen Minuten oder Stunden selbst erstellen und jederzeit im laufenden Betrieb anpassen.
Der Fortschritt deiner Prozess-Digitalisierung mit der daraus resultierenden Effizienz und Compliance ist nun nicht mehr durch deine IT-Abteilung limitiert und wird es zukünftig immer weniger sein. Daher die Frage: Digitalisierst du oder wirst du digitalisiert?
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Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, führt kaum noch ein Weg an der Digitalisierung der wertschöpfenden Kernprozesse vorbei – das haben die meisten Unternehmen längst erkannt.
Bühne frei: Ralf Kohlen. Im Interview besprechen Ralf Kohlen und Vincent Fischer, inwieweit sich Ralfs Gedanken geändert haben, seit er sein Buch Quality reinvented!...