Carsten's Corner Folge 15: Managementsysteme und soziale Dynamiken

Dr. Carsten Behrens

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Dr. Carsten Behrens

Veröffentlicht am

25.2.2025

Carsten's Corner Folge 15: Managementsysteme und soziale Dynamiken
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In dieser Episode von Carsten’s Corner spricht Carsten Behrens mit Sven Schneider, einem erfahrenen Managementberater und Soziologen, über die oft unterschätzten sozialen Dynamiken in Organisationen. Gemeinsam beleuchten sie, warum Managementsysteme nicht so deterministisch funktionieren, wie es in der Ingenieurs- und Betriebswirtschaftslehre oft angenommen wird, und welche Rolle informelle Strukturen, Erwartungen und Machtverhältnisse im Qualitätsmanagement spielen.

Zu den zentralen Themen dieser Folge gehören:

  • Die Grenzen der „Strukturgläubigkeit“: Warum formale Regeln nicht automatisch in der Praxis gelebt werden
  • Unvorhergesehene Handlungsfolgen: Warum jede Steuerung von Organisationen unerwartete Effekte haben kann
  • Steuerungsoptimismus vs. Realität: Warum Organisationen nicht wie Maschinen funktionieren
  • Die Bedeutung von Reflexion und Beobachtungsperspektiven für erfolgreiche Managementsysteme
  • Best Practices vs. starre Vorgaben: Wie man eine sinnvolle Balance findet

Diese Folge bietet spannende neue Perspektiven für Qualitäts- und Prozessmanager, die ihre Organisationen besser verstehen und effektiver gestalten möchten. Sven Schneider zeigt auf, warum es sich lohnt, über den klassischen QM-Tellerrand hinauszublicken und Organisationsdynamiken stärker in die Gestaltung von Managementsystemen einzubeziehen.

Show Notes

00:00 – Intro: Begrüßung von Carsten Behrens und Vorstellung des Gastes Sven Schneider

02:50 – Die soziologische Perspektive auf Organisationen: Warum sie nicht deterministisch funktionieren

07:07 – Strukturgläubigkeit: Warum formale Regeln oft nicht in der Praxis gelebt werden

10:58 – Steuerungsoptimismus vs. Realität: Die Grenzen der Steuerbarkeit von Organisationen

15:24 – Reflexion und Fehlerkultur: Wie Führungskräfte besser mit Komplexität umgehen

17:57 – Best Practices vs. starre Vorgaben: Wie man eine sinnvolle Balance findet

23:51 – Machtstrukturen in Organisationen: Wer beeinflusst wirklich die Regeln?

29:14 – Praxistipps: Wann sollte man eine neue Regel wirklich formalisieren?

32:20 – Abschluss: Fazit und Einladung zur Live-Folge von Carsten’s Corner

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Vollständiges Transkript

Carsten Behrens

Herzlich willkommen zur nächsten Carsten's Corner Folge, heute mit Sven Schneider, einem erfahrenen Managementberater bei der Modell Aachen GmbH. Wir lernen heute mit ihm eine etwas andere Perspektive kennen auf Managementsysteme, als wir das vielleicht häufig hören, und zwar ist er Soziologe und so werden wir heute eine Menge lernen über Organisation, wie sie funktionieren. Und dass nicht alles ganz so einfach funktioniert, wie wir uns Qualitätsmanager und Ingenieure uns das manchmal vorstellen.

Carsten Behrens

Sven, herzlich willkommen in Carsten’s Corner. Es freut mich sehr, dass wir dich heute mal dabei haben. Wir bekommen heute eine ganz andere Sicht auf Managementsysteme präsentiert, als es vielleicht sonst der Fall ist. Und zwar bist du Soziologe und hast deswegen ein ganzes Stück weit einen anderen Blick auf die Welt, als vielleicht viele andere Leute, die sich Qualitätsmanagementsysteme oder Qualitätsmanagement kümmern. Denn das Qualitätsmanagement kommt ja eigentlich eher aus einer sehr technischen Perspektive, viel aus Ingenieurswissenschaften geprägt, aus Betriebswirtschaften geprägt, wo doch die vorherrschende Meinung ist, dass das recht determinierbar ist, was man da tut. Also man hat ein Problem, dann sucht man eine Lösung, ist das Problem weg. Und so funktionieren Organisationen nicht ganz, aber vielleicht magst du kurz zwei Sätze zu dir sagen und zu deinem Hintergrund, warum du eine andere Perspektive darauf hast.

Sven Schneider

Vielleicht direkt: So funktioniert auch die Welt nicht. Das bezieht sich nicht nur auf Organisation, aber auch Organisation funktionieren so nicht. Erst mal danke, dass ich hier sein darf. Als Soziologe bringe ich, glaube ich, eine etwas andere Perspektive mit, so wie du es gesagt hast. Weniger deterministisch, weniger technokratisch, weniger „Wenn ich A mache, kommt B dabei raus, sondern auch eine gewisse Sensibilität dafür, dass „wenn ich A mache, vielleicht auch C oder D dabei rauskommt oder irgendwas, was ich gar nicht im Alphabet wiederfinde. Also es kann unterschiedlichste Folgen haben, was wir so tun und das ist natürlich auch in Organisationen so. Und ich denke, im Management-Bereich, in Organisationen, herrscht noch sehr häufig der Gedanke vor: „Wenn ich das eine tue, dann kommt das andere raus. Und so ist es halt nicht.

Carsten Behrens

Ja, Genau. Du hast es studiert, du hast auch in nicht allzu langer Vergangenheit im Berufsbegleiten noch deinen Master abgeschlossen zu dem Thema und überlegst auch noch, zu dem Thema zu promovieren. Wollen wir uns dem Thema mal ein bisschen nähern? Was macht aus deiner Sicht die soziologische Perspektive aus? Es gibt, glaube ich, unterschiedliche Ansätze, wie man sich dem Thema nähern kann, auch in der Soziologie.

Sven Schneider

Auf jeden Fall. Die soziologische Perspektive, würde ich in der Form sagen, gibt es nicht. Es gibt ganz viele verschiedene Ausprägungen, Organisation oder vielleicht ganz allgemein, soziale Phänomene zu beschreiben und erklären zu wollen. Und da gibt es ganz unterschiedliche Perspektiven, zum Beispiel die Perspektive, dass man sehr strukturell Dinge analysieren sollte. Ob das jetzt eine Gesellschaft ist oder ob das eine Organisation ist. Das ist erst mal dann der Gegenstand, der untersucht wird, aber es gibt so diesen Ansatz, Strukturen sich anzugucken, die sehr manifestiert sind. Eine zweite Möglichkeit wäre aber auch, sich Handlungen anzugucken. Häufig wird das dann auch so unter den Begrifflichkeiten „Makro, „Mikro bezeichnet. Makro, also „Strukturen und „Blick von oben, „Mikro eher das Handeln der in der Gesellschaft Individuen. Manche sprechen dann auch von „Akteuren, Schon in den Begriffen steckt dann immer ein gewisses Bild drin, was oder wer da genau wie analysiert wird.

Carsten Behrens

Hat das auch viel mit Anreizen und Motivation und so weiter zu tun bei der Handlung des Einzelnen?

Sven Schneider

Das wäre ein Motivationsgrund. Aber die Soziologie schaut jetzt weniger in dem Sinne auf den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse und warum macht er jetzt A oder B? Das wäre dann eher so die Abgrenzung Richtung Psychologie, also was in dem Einzelnen vorgeht, sondern eher auf Gruppendynamiken, soziale Verflechtungen, Erwartungshaltungen, die ja ganz häufig auch Motivation sind, also keine intrinsische Motivation: „Ich habe ein bestimmtes Bedürfnis, deswegen tue ich etwas, sondern weil es eine soziale Erwartung ist, Dinge zu tun. Und da kommen wir auch, glaube ich, ganz gut wieder zurück zu Organisation, weil in Organisationen sind ja ganz viele Erwartungshaltungen festgelegt oder zumindest sehr vorgegeben, was an wen adressiert werden kann und was zum Beispiel nicht zu adressieren ist an eine bestimmte Person.

Carsten Behrens

Ja. Und ich glaube, du hast noch so eine dritte Perspektive im Kopf gehabt, als wir uns im Vorgespräch so ein bisschen unterhalten haben.

Sven Schneider

Ich habe noch so einen Gedanken mir gemacht zu einem vielleicht Makro-und Mikrostruktur und Handlung. Klingt, glaube ich, für die meisten Personen noch sehr plausibel, auch wenn man jetzt nicht Soziologie studiert hat oder Ähnliches. Es gibt aber vielleicht auch noch so Perspektiven, wie zum Beispiel, sich Handlungen in Gegenständen materialisieren. Also wenn wir an die Handlung denken, einen Nagel in die Wand einzuschlagen, dann können wir die nicht tun ohne einen Hammer. Also die Handlung des Einschlagens des Nagels materialisiert sich in einem Hammer und auch solche Materialisierungen finden wir ja sehr, sehr häufig in Organisationen wieder.

Carsten Behrens

Jetzt sind das ja völlig unterschiedliche Perspektiven, die du gerade beschrieben hast, der Soziologie. Haben die irgendetwas gemeinsam, wo wir sagen, können? Das ist so etwas, was wir jetzt vielleicht auch vereinfacht für uns als Nichtsoziologen mitnehmen können? Was haben die alle so ein bisschen gemeinen, was man vielleicht übertragen kann auf unsere Welt?

Sven Schneider

Ganz allgemein, würde ich sagen, ist eine gewisse Beobachter-Perspektive immer ganz wichtig, also sich weniger als Teil dessen zu verstehen, sondern vielleicht einen Schritt zurückzutreten von dem Gegenstand, den man erklären, verstehen möchte, in dem ersten Moment mal verstehen, dann vielleicht erklären und dann vielleicht auch in dem dritten Schritt darauf aufbauen zu schauen: „Wie kann es anders gehen? Was kann man machen? Was sind Einflussfaktoren? Aber generell mal so einen Schritt zurückzutreten und ich sage mal neutraler, vielleicht wirkt es auf den einen oder anderen auch skeptischer, erst mal zurückzutreten und sich das anzuschauen, was passiert denn da genau. Und ich glaube, das, egal welche Perspektive, ob Makro, Mikro, welche Denkrichtung man auch immer da favorisiert innerhalb der Soziologie, eint all diese Perspektiven.

Carsten Behrens

Ja, sehr gut. Und wo würdest du da die Ansatzpunkte sehen, jetzt bezogen auf Managementsystemen? Jetzt für unsere Zuhörer, die ja meistens Qualitätsmanager sind oder Prozessmanager. Was ist so, welchen Einfluss siehst du da mit dieser Skepsis, mit dieser Beobachtungsperspektive? Was kannst du denen mitgeben, gedanklich?

Sven Schneider

Ich denke, das Erste, was mir direkt in den Sinn kommt, ist der erste Gedanke, den ich immer habe, wenn ich da drüber nachdenke, ist dieser hohe Formalisierungsgedanke dahinter, hinter Managementsystemenen oder generell auch hinter Managementdisziplinen, sehr häufig zu denken, wir regeln Dinge, wir formalisieren die um in dem Wording von vorher vielleicht zu bleiben, wir gießen die in Struktur. Jetzt haben wir die in Struktur und weil das so da steht, wird das auch so praktiziert. Also überhaupt schon mal der Glaube, wenn wir die Dinge aufschreiben, dann haben wir damit irgendwas gewonnen, was auch immer das dann im Einzelfall sein mag. Das wäre auf jeden Fall das Erste, was wir nennen.

Carsten Behrens

Also eine Strukturgläubigkeit, die du etwas skeptisch siehst. Also dass, wenn ich Strukturen schaffe, formalisiere, dann ist der Qualitätsmanager geneigt zu glauben, das muss ich nur ein bisschen auditieren und schulen und dann wird das so schon werden.

Sven Schneider

Und nicht nur der Qualitätsmanager, das machen ja auch die externen Auditoren, die Zertifizierer. Ich meine, das ist zu einem gewissen Grad auch aus dem Gegenstand getrieben. Man muss irgendwelche Nachweise haben, um zeigen zu können, wie funktioniert denn die Organisation und hält die sich an die Regeln? Und wenn die Regeln nicht aufgeschrieben sind, dann funktioniert es halt nicht. Man braucht ja einen Abgleich. Aber man sollte, glaube ich, nicht denken, dass nur weil etwas aufgeschrieben ist, formalisiert ist, dass es deswegen auch so von den Organisationsmitgliedern praktiziert wird. Also das Handeln ist im Zweifelsfall was ganz anderes als das, was irgendwo formal geschrieben steht.

Carsten Behrens

Ja, macht Sinn. Man kann natürlich jetzt sagen: „Ja, aber das ist doch genau das, was wir wollen, dass die Leute genauso handeln, wie wir es definiert haben. Dann muss man doch einfach nur genug sankionieren und motivieren und dann halten die sich alle genau da dran. Aber das ist auch nicht unbedingt die Lösung. Da kommen wir vielleicht nachher ein bisschen drauf. Kommen wir zu dem zweiten Punkt. Du sagst, das eine ist die Strukturgläubigkeit, aber du hast, glaube ich, noch zwei weitere Punkte für uns mitgebracht.

Sven Schneider

Mal mindestens noch den Punkt auch, offen zu sein für Handlungsfolgen, die vielleicht nicht intendiert sind. Also selbst wenn man jetzt mal annimmt, okay, wir können Dinge formalisieren. Das hat mit Sicherheit auch in den Fällen in Organisationen, gibt es ganz viele Anwendungsbereiche, wo auch ich als studierter Soziologe sage, das macht Sinn, die Dinge aufzuschreiben. Das heißt zwar noch nicht, dass sich dann alle genau daran halten, so wie das da steht, aber man hat was aufgeschrieben. Wofür man aber, glaube ich, immer offen sein sollte, ist für den Gedanken, dass vielleicht was ganz anderes folgt aus etwas, was ich geregelt habe, als das, was ich eigentlich intendiert hatte. Also ich habe eine bestimmte Absicht und was ganz anderes passiert aus dem, was ich als Maßnahme dann umgesetzt hatte.

Carsten Behrens

Ja, ich persönlich finde ja so ein Modell immer ganz hilfreich. Ich weiß nicht, ob das ursprünglich vom Professor Stefan Kühl kommt oder ob er das nur aufgegriffen hat, dieses Modell. Es gibt halt die Formalstruktur und dann gibt es informale Strukturen. Und je mehr Formalstruktur ich schaffe, desto mehr gibt es informale Ausgleichsbewegungen. Also dass die Menschen dann letztendlich ein Stück weit auch die Formalstruktur herumleben, damit es halt funktioniert, weil das reine Halten an die Formalstruktur im Prinzip ja mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift, durchaus auch nicht immer zielführend ist in der Organisation und die reine Formalstruktur auch nicht ausreicht, eine Organisation funktionieren zu lassen, sondern es braucht ganz viel natürliches Handeln drumherum, was dafür sorgt, dass es dann und tatsächlich auch irgendwie funktioniert. Das finde ich immer ein ganz schönes Bild und ich verstehe das jetzt so, wie du es beschreibst: Diese Strukturgläubigkeit muss man halt ein bisschen vorsichtig sein, weil jede Regel, die ich einführe, wird dafür sorgen, dass es irgendwelche Ausgleichsbewegungen in der Organisation rund diese Regel gibt oder irgendwelche Effekte auch, die wir uns vielleicht nicht ursprünglich erhofft haben. Genau, das sind also die zwei Punkte: Strukturgläubigkeit und offen für die Ergebnisse.

Ich glaube, wir hatten heute Morgen beim Kaffee noch ein drittes.

Sven Schneider

Ich habe noch einen dritten. Und zwar der Grundgedanke, die beeinflussen sich natürlich die drei Faktoren, die ich hier gerade nenne, so getrennt voneinander, idealtypisch, spielen natürlich auch sehr miteinander und beeinflussen sich gegenseitig, aber grundsätzlich so ein Steuerungsoptimismus, der tendenziell in Ingenieurwissenschaften herrscht und natürlich auch in den Betriebswirtschaften.

Also überhaupt zu glauben, Organisationen ließen in sich steuern. Also ich sitze in einem Auto und ich lenk nach links und dann fahr ich auch nach links. So funktioniert es in der Organisation nicht. Also ich kann vielleicht etwas tun, es hat ganz andere Folgen und ich will da jetzt nicht zu kritisch klingen, aber möglicherweise ist das manchmal auch einfach ein Anstoßen von Maßnahmen innerhalb der Organisation und dann hat man ein Defizit gefunden und jetzt treffen wir Maßnahmen und dann beheben wir das. Und wenn es ja immer  so steuernd und verbessend, wenn das so wäre, dann müssten wir ja irgendwann fertig sein. Dann müssten wir sagen: „Jetzt haben wir die perfekte Organisation. Alles super. Und die Modelle, über die wir sprechen, die sind ja teilweise 40, 50 Jahre alt. Also Total-Quality-Management, Business Process Re-Engineering. Das sind ja alles Begriffe, die es schon seit Jahrzehnten gibt. Da werden eigentlich immer mal wieder ähnliche Steuerungs-und Kontrollfantasien irgendwie reingegossen und unter einem neuen Namen: „Jetzt müssen wir das so und so machen und dann wird alles besser. Und zehn Jahre später muss man es so und so machen und dann wird alles besser. Also ja, wir sind immer noch da und wir optimieren immer noch.

Carsten Behrens

Wenn ich mich mit Soziologen unterhalte, kommt in mir immer so eine gewisse Desillusionierung auf. Ich weiß nicht, ob das dem einen oder anderen Zuhörer auch so geht, aber ich finde, dass gerade als Führungskraft hat man den Anspruch, irgendwas gestalten und führen zu können. Und wenn ich mich mit Soziologen unterhalte, habe ich immer das Gefühl, ich kann es eigentlich nicht. Das, was mir so ein bisschen Hoffnung gibt, ist, dass es letzten Endes im Alltag doch ganz gut funktioniert. Und das zweite ist, dass ich zum Beispiel Impulse, zum Beispiel aus der Organisationsentwicklung, auch ganz hilfreich finde, dass man sagt: „Okay, ich versuche eine Intervention. Ich versuche etwas zu verändern, was zu bewegen, was hoffentlich die gewünschte Intention erreicht. Beobachte dann, wie verhält sich das? Geht es in eine gute Richtung? Bewegt es sich in eine schlechtere Richtung? Und dann versuche ich eben wieder einzugreifen, wenn es mir irgendwie nicht gefällt und ich glaube, dass das für die Organisation besser wäre, anders zu machen. Würdest du sagen, dass in diesen Gedanken der Organisationsentwicklung viel Gedanken gut drinsteckt, wie du das auch sehen würdest aus der Soziologie? Spricht das mehr sozusagen deiner Denkweise als ein zum Beispiel sehr strikter PDCA-Gedanke?

Sven Schneider

Also ich glaube, sowohl das, was du gerade schilderst, als auch PDCA haben ja immer noch den Grundgedanken, dass wir analysieren, wir schauen, was die Folge ist und danach verbessern wir oder haben zumindest einen, wir haben einen Zustand A, wir treffen eine Maßnahme, wir haben einen Zustand B und jetzt vergleichen wir Zustand B mit Zustand A und schauen, was machen wir denn als nächste Maßnahme, Zustand C zu erreichen. Das ist erst mal der Grundgedanke dahinter. Und ich glaube, für den Einzelfall, also wir haben ein bestimmtes Problem: Welche Maßnahme können wir denn ergreifen, sie zu verbessern? Ist das völlig in Ordnung. Aber ich glaube, wenn man so zurücktritt und gesamt auf eine Organisation blickt, dann gibt es so viele Einflussfaktoren, sowohl innerhalb der Organisation als auch von außen Anforderungen, egal ob die gesetzlicher Natur sind. Vor zwei Jahren hatten wir noch Corona-Pandemie. Also es gibt so viele Dinge, die sich so schnell ändern können, dass, glaube ich, von außen betrachtet dieses „Wir treffen eine Maßnahme und jetzt haben wir was verbessert, nicht zutrifft. Also das ist vielleicht die Desillusion, von der du so ein bisschen sprichst. Ich würde das aber gar nicht zu sehr beziehen wollen auf die Wirksamkeitserfahrung des einzelnen Mitarbeiters oder der einzelnen Führungskraft.

Weil die kann ja in ihrem Bereich unter abgegrenzten Bedingungen sagen: „Wir haben das und das Problem. Wir treffen die und die Maßnahme, und dann kann sie merken: „Ist es jetzt besser geworden oder nicht? Sie sollten nur immer beachten, vielleicht hat sie mit dem, was sie getan hat, irgendwo anders innerhalb der Organisation andere Probleme verursacht. Für sich hat sie vielleicht ihr Problem gelöst und bei anderen sind drei Probleme aufgetaucht.

Carsten Behrens

Ja, genau. Also ich für meinen Teil habe das für mich so abgespeichert oder versuche es so zu leben, dass ich die Organisation tatsächlich ein bisschen so führe, als wäre sie deterministisch. Aber nach jedem Führungsimpuls, den ich in die Organisation reingebe, mir bewusst dabei bin, dass sie nicht deterministisch ist. Das heißt, ich lasse es gedanklich zu, dass nachher was anderes rauskommt und fange an zu beobachten und gehe nicht davon aus, dass das intendierte Ziel eins zu eins erreicht wird. Ich glaube, das ist ganz hilfreich, diese Denkweise, weil sie dafür sorgt, dass ich nicht mich lost fühle, sozusagen als Führungskraft, sondern immer noch das Gefühl habe, ich kann etwas gestalten und steuern und mir diese unendliche Komplexität, die eine Organisation faktisch hat, in meinem Weltbild sozusagen etwas kleinmache, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen und Führungsimpulse zu geben, aber mir trotzdem bei jeder Handlung bewusst bin, dass die Realität deutlich komplexer ist, als ich das im ersten Schritt vielleicht glauben mag.

Sven Schneider

Ja, also in unserem Idealbild, würde ich jetzt mal, also auch wirklich normativ gemeint, würde ich ja sagen, das ist das, was wir uns da irgendwie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhaupt wünschen, nicht nur von Führungskräften, sondern man hinterfragt sein eigenes Handeln, man reflektiert es und man weiß genau, wenn ich eine Maßnahme treffe oder etwas tue, dann kann vielleicht auch was ganz anderes rauskommen. Und das ist aber nicht schlimm, sondern dann gucken wir halt, wie wir es danach weiter verbessern. Meine Beobachtung aus den vielen Beratungsprojekten ist aber zum Beispiel, dass diese Art von Umgang mit der eigenen Rolle gerade als Führungskraft, nicht sonderlich verbreitet ist, so wie du das gerade schilderst, sondern dass gerade mit Führungskräften ja assoziiert ist, also mit dieser Rolle Führungskraft, Kontrolle auszuüben und Dinge zu steuern. Und wenn sie nicht die Folgen haben, die vielleicht vorgegeben sind oder die man sich ausgedacht hat, dann hat man versagt. Also es ist dann eine gewisse, wie soll ich sagen, Verantwortungszuweisung. Diese Führungskraft, in deren Bereich gibt es ein Problem und die kriegt das nicht gelöst. Und ich denke, da müssen wir an Fehlerkultur arbeiten, auch: Wie geht man damit um? Das, was du jetzt sagst und für dich schilderst, weiß ich nicht, wie selbstverständlich das ist auch in Organisationen und dann über alle Ebenen hinweg.

Da fängst du natürlich ganz oben an, wenn wir uns die Hierarchie angucken, aber wir haben verschiedene, wir haben dann Betriebsleiter, Abteilungsleiter, Teamleiter und auch die müssen ein derartiges Verständnis erleben.

Carsten Behrens

Was ich auch noch  ganz hilfreich finde für den Alltag und was wir versuchen ja bei Modell 8, so konsequent wie möglich zu leben, ist diesen Gedanken, der, glaube ich, stark vom Lean Startup geprägt wurde, dieses Assumption Metric Experiment. Ist also eine Annahmetreffe, was ich hoffe, was das bewirkt, was ich jetzt angehe. Versuche, eine Messgröße zu definieren oder ein Akzeptanzkriterium, woran ich dann messen kann, ging es in eine gute Richtung und das kleinstmögliche Experiment mache, um dann in diese Richtung zu kommen. Dann eben mit „build, measure, learn, auf der Rückseite sozusagen dieses Zyklus in einem kleinen Experiment das auszuprobieren und zu schauen, geht es in eine richtige Richtung und dann entsprechend die nächstgröße Iteration zu gehen. Das, finde ich, ist eigentlich ein ganz schönes Modell, was dem so ein bisschen Rechnung trägt, dass das Ergebnis nicht präzise vorhersagbar ist. Da hatten wir uns auch eben ein bisschen drüber unterhalten. Da hattest du aber ein paar Gedanken zu, wo du sagtest, ja, trifft schon so einige Gedanken, die du auch so bestätigen würdest, aber an ein paar Stellen siehst du das auch ein bisschen kritisch.

Sven Schneider

Also grundsätzlich vielleicht mal das, was du gerade schilderst, setzt einen unheimlich hohen Reflexionsgrad der Organisationsmitglieder voraus. Also zu wissen, wenn ich etwas tue, dann kann auch was ganz anderes dabei rauskommen. Das ist aber auch nicht schlimm, sondern dann steuern wir nach und auch einen sehr methodisches Vorgehen, wie du es gerade sagst. Wir analysieren erst mal, dann suchen wir uns irgendwie einen kleinen Bereich, in dem können wir es mal testen, dann schauen wir, was war die Folge und dann gucken wir, wie wir es ausrollen können. Wir lernen daraus. Das sind Modelle, wo ich sagen würde, die sind für den Einzelfall gut anwendbar, aber nicht für Gesamtorganisationen. Was soll das kleine Experiment innerhalb einer Organisation sein, mit dem wir mal austesten? Und selbst wenn wir uns ein, du hast gerade eben Messgröße gesagt oder Kennzahl. Wenn wir uns so ein Merkmal packen, dann kann es sein, wir sind effizienter geworden oder wir haben den Umsatz gesteigert, super. In der gleichen Zeit haben aber auch 17 Mitarbeiterinnen gekündigt, weil Mitarbeiter Zufriedenheit ist gesunken, weil wir haben hier so Druck gemacht, wir haben die Effizienz gesteigert. Das Experiment war total erfolgreich und wir rollen das jetzt aus und gleichzeitig fallen aber ganz, ganz viele andere Faktoren hinten runter.

Das ist die Gefahr von der Komplexitätsreduktion, wie du sie gerade eben geschildert hast. Wir alle tun das ständig in unserem Alltag. Wir müssen Komplexität reduzieren. Es kommen viel zu viele Infos prasseln auf uns ein. Wir müssen gewisse Annahmen treffen. Wir müssen bei bestimmten Dingen sagen: „Das ist jetzt wichtig und das hier ist nicht, oder wir nehmen jetzt mal an, unser Standardkunde ist so und so. Also wir treffen gewisse Annahmen und gleichzeitig führt das zu der Gefahr, dass wir vielleicht auch Dinge ausgeblendet haben, die auf einmal total den Einfluss da drauf nehmen und es zerschießt uns unser ganzes Experiment. Und wir bauen aber vielleicht, ohne es zu merken, eine Kausalität in unserem Kopf auf oder auch in Organisationen. Du hast gerade eben geschildert, es gibt dann dieses kleine Experiment und das läuft gut und dann wird es gemacht. Und vielleicht hat gleichzeitig – wir stellen uns eine große Organisation vor – der Betriebsrat irgendeine bestimmte Entscheidung getroffen und die hat total Einfluss auf das, was da getan wird und das Experiment geht schief oder vielleicht auch der Rollout, weil das Experiment, das war noch gut gelaufen. Und dann hat man die Komplexität reduziert. Man hatte ein erfolgreiches Experiment gemacht, man hat es ausgerollt und das geht aber völlig schief, weil es noch ganz, ganz viele andere Einflussfaktoren gibt.

Und ich glaube, das ist bei Organisationen eben ein wesentliches Merkmal, sich bewusst zu sein, was es da alles gibt, was da einprasselt, auch Dinge, die halt absolut nicht vorhersehbar sind oder geschweige denn steuerbar sind. Wer von uns konnte eine Pandemie steuern?

Carsten Behrens

Genau. Aus meiner Sicht ist ja ein ganz zentraler Punkt, dass man als Organisation oder Organisationen so baut, dass es gute Regelungszyklen gibt, weil nicht zuletzt basiert ja alles, was wir heute beschreiben, darauf, dass wir es beobachten und wieder reagieren. Und dieses Beobachten und Reagieren ist im klassischen Qualitätsmanagement im Prinzip das Audit und dann entsprechend die Reaktion darauf und auch stark zentralistisch initiiert oder gesteuert. Und das ist ja unsere These beim Modell Aachen, dass das viel zu statisch und viel zu weit weg von der Realität ist. Und wir fahren ja den Ansatz, dass wir sagen, durch diese starke Partizipation kann jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin die Spielregeln mitprägen, mitgestalten und dadurch schaffen wir einen sehr dynamischen und sehr nahe am operativen soziotechnischen Regelkreis, dass sich das sehr stark selbst steuert. Würdest du sagen, da findest du Aspekte wieder, die dem zuträglich sind, dieser Reflexion und dieser schnellen Anpassung?

Sven Schneider

Jetzt spricht vielleicht wieder erst mal der skeptische Soziologe, der sagt, in erster Linie ist das ja eine andere Art der Aufbereitung von Formalstruktur. Formalstruktur, die nicht nur, so wie das vielleicht in älteren Verständnissen der Fall ist, von Führungskräften vorgegeben wird. Also da wird eine Regel geschrieben und die kommt von der Führungskraft und da unten hat die gefälligst so, umgesetzt zu werden. Sondern was wir machen, ist im Grunde das Aufbrechen und sagen, alle können die Formalstruktur mit bestimmen. Was erstens dazu führt, dass die Formalstruktur, also das Dokumentierte, einfach tendenziell mehr wird. Wir bauen eigentlich eine größere Formalstruktur als das, was vielleicht eigentlich bisher in Organisationen da war. Würden aber ja gleichzeitig argumentieren, dadurch, dass jeder mitmachen kann und Einfluss darauf nehmen kann und es transparent ist, welche Regeln auch gelten, dass deswegen die Akzeptanz dann höher ist und aus der grundsätzlichen Masse an Formalstrukturen nicht was Negatives folgt, sondern durch die Mitbestimmung halt auch positive Möglichkeiten für die Mitarbeiter.

Carsten Behrens

Ja, genau. Und etwas, was immer damit einherschwingt, ist, wenn jetzt also deutlich mehr Formalstruktur entsteht, dann ist das doch viel mehr Korsett. Man schränkt die Kreativität ein, man schränkt eben die Möglichkeiten ein, gerade auch in Sonderfällen rechts und links davon zu gehen. Und da ist ja unsere Antwort, was sich aus meiner Sicht auch gut bewährt hat, ist, dass man sich Gedanken darüber macht: „Wie hart setze ich die Formalstruktur durch? Und dass es in sehr vielen Bereichen der Organisation ausreicht, eher ein Best Practice Transferverständnis zu haben, dass es darum geht, Erfahrungswerte zu kommunizieren, das hat sich bewährt. So kannst du es Du kannst aber jederzeit davon abweichen, wenn es in dem Einzelfall anders sinnvoll ist. So kann man, glaube ich, dieser Falle der Überformalisierung auch sehr schön entgehen, hat aber trotzdem die positiven Effekte des Wissenstransfers einer Organisation über das organisationale Wissen, sozusagen. Was für Gedanken hast du dazu?

Sven Schneider

Der Gedanke, den ich dazu habe, ist, dass ganz deutlich sein muss, wie stark der Regelungscharakter dieser Formalstruktur ist. Also wenn ich dann eine Prozessbeschreibung habe oder eine Stellenbeschreibung oder was auch immer da an dokumentierter Information liegt, dann muss da auch daraus hervorgehen, welchen Regelungscharakter der damit verbunden ist. Soll heißen, es kann etwas geben, da ist es ein Best Practice. Das kann man so. Man kann links rumgehen den Tisch, man kann auch rechts rumgehen, man kann die Schulung auf die Art halten mit Folien, mit Präsentationen, man kann das aber auch mit Flipcharts machen. Das ist erst mal egal. Hauptsache, ein gewisses Ergebnis kommt dabei raus. Am Ende der Schulung wissen alle wie man eine bestimmte Software bedient. Das wäre vielleicht dann so best practice. Alle können ihre Erfahrungen dran schreiben. Das heißt, die Formalstruktur wächst zwar, aber vor allem wächst die mit dem Wissen an, was die Einzelnen schon gesammelt haben als sie diesen Prozess mal durchgeführt haben. Das hilft also den nächsten weiter. Dann gibt es aber möglicherweise auch Prozessbeschreibungen oder Arbeitsanweisungen, wo das kein Kann ist, wo man nicht sagen kann: „Hey, du kannst das so machen, du kannst das aber auch anders machen, sondern da steht Ziehe die Schraube 3 Millimeter an, weil wenn du sie 4 Millimeter anziehst, dann bricht die.

Und ich glaube, es ist ganz wichtig, innerhalb von Prozessbeschreibungen deutlich zu machen, was davon oder von Formalstruktur überhaupt deutlich zu machen: „Was ist ein Muss und was ist ein Soll oder ein Kann oder ein „Hey, so haben wir es auch mal probiert. Da brauchen wir aber vielleicht noch zwei, drei Testfälle zu. Mach du doch mal das nächste Mal die Schulung ein bisschen anders.

Carsten Behrens

Ja, genau. Das ist auch meine Erfahrung, dass man eben je nachdem in welcher Organisationseinheit man sich bewegt, das unterschiedlich sein kann. Also gerade Bereiche, wo Kreativität und Spielraum eine große Rolle spielt, wie zum Beispiel im Vertrieb oder in der Entwicklung. Das sind sonst auch sehr formal averse

Sven Schneider

Wir haben keine Prozesse, sagen die immer.

Carsten Behrens

Genau. Mit denen kann man sehr, sehr gut mit diesem Best Practice-Gedanken arbeiten, dass man sagt, wir beschreiben schon recht viel für den Wissenstransfer, aber wir setzen es nicht hart durch, weil es eher ein Best Practice ist. In anderen Bereichen, wie in der Produktion oder so was, muss man halt häufig das sehr eng nehmen und durchaus härter durchsetzen. Jetzt kann es natürlich sein, dass man etwas auch unnötig hart durchsetzt oder dass man beobachtet, dass in Unternehmen etwas unnötig hart durchgesetzt wird. Das hat auch viel mit Macht zu tun oder kann mit Macht was zu tun haben. Vielleicht magst du da noch mal einen Satz zu sagen? Ich glaube, da hast du noch ein paar Gedanken dazu.

Sven Schneider

Genau, also das, was wir ja mit Interaktiven Managementsystemen anstreben und was ich gerade schon so ein bisschen zumindest eingeordnet hatte mit Formalstruktur, aber alle können mitmachen und wir sollten den Regelungscharakter deutlich machen kann, soll, muss. Diese Art des Aufbaus von Formalstruktur hängt natürlich auch ganz wesentlich damit zusammen: Wer hat denn welche Macht? Also wer in welche Möglichkeiten Einfluss zu nehmen in der Organisation, weil er zum Beispiel höher angesiedelt ist in der Hierarchie, vielleicht auch informelle Macht, wo man genau weiß, die und die Person hat so ein hohes Standing, ist seit 30 Jahren im Unternehmen und wenn ich die auf meiner Seite habe, dann wird da auch eine Führungskraft dann nicht anders entscheiden, als wenn die Person sagt: „So und so wäre aber gut. Die kann das vielleicht nicht formulieren: „Wir machen das jetzt so, aber diese Person kann vielleicht einen Ratschlag geben und dann wird dem in aller Regel gefolgt oder zumindest wird nicht ganz offen gegen diesen Ratschlag entschieden. Und Interaktive Managementsystem oder generell Formalstruktur in Organisationen kann natürlich auch zu Zwecken eingesetzt werden, gerade von Führungskräften, um ihre Position und Macht zu zementieren. Es gibt aber auch genau die andere Perspektive: Mitarbeiter können das auch torpedieren, indem sie zum Beispiel ihr Wissen gar nicht teilen.

Also wie häufig haben wir das in Organisationen, dass Personen eigentlich ganz, ganz viel Wissen zu einem Prozess haben, aber sie geben es nicht preis, weil sie dann ihre eigene Position, ihre eigene Macht, die sie haben, weil die Leute müssen immer zu ihnen kommen, nachzufragen: „Wie funktioniert das noch mal mit der BANF? Deswegen ist Macht auch eine ganz wichtige Perspektive, die man, glaube ich, immer auf dem Schirm haben sollte, wenn wir über die Schaffung von neuer Formalstruktur, also neuen Regeln in Organisationen, egal ob in einem Interaktiven Managementsystem oder nicht, einfach ganz allgemein, wenn wir was Neues schaffen, sollten wir da immer mit dran denken.

Carsten Behrens

Was können wir jetzt den Zuhörenden mitgeben, worauf sie achten sollten in der nächsten Zeit oder was sie vielleicht ab morgen anders machen können? Was wäre also deine Hauptempfehlung?

Sven Schneider

Meine Hauptempfehlung wäre, wenn ich die Tendenz habe, eine bestimmte Regel zu erlassen, wollte ich gerade schon sagen, eine gewisse Regel zu formulieren und die vielleicht in ein Gremium zu bringen und zu sagen: „Wollen wir das nicht in Zukunft so und so machen? Die erste Frage, die man sich immer stellen sollte, ist: Warum will ich das hier gerade regeln? Was ist die Ursache dafür, dass ich irgendwie den Drang habe, das gerade zu formalisieren? Ist das ein Einzelfall? Also wir machen das 100-mal und einmal geht was schief und jetzt fangen wir an formalisieren, obwohl 99 Fälle funktioniert haben, dann könnte dieser eine Fall vielleicht auch einfach einer sein, den man gut moderiert, klärt und dann ist gut, der also nicht das hohe Gewicht bekommt, in die Formalstruktur überführt zu werden. Weil auf die nächsten, die sich diese Formalstruktur dann angucken, wirkt das so, als wird jedes Mal dieser Punkt vielleicht schiefgehen und man muss unbedingt auf diese Sache achten. Also zu hinterfragen: Warum machen wir das und müssen wir das hier überhaupt formalisieren? Oder gibt es dafür vielleicht auch eine ganz einfache Lösung, wie vielleicht das Gespräch miteinander oder einmal vielleicht auch im Teammeeting zu kommunizieren: „Hey, das und das war jetzt eine Erfahrung, die wir hatten. So und so ist es ausgegangen. Bitte machen wir es in Zukunft anders.

Carsten Behrens

Genau, und Das zweite, was ich, glaube ich, mitgeben würde, ist: Hinterfragen: „Muss ich wirklich alle Formalstrukturen, alles, was ich an organisationalem Wissen sozusagen konserviere, muss ich das hart durchsetzen oder kann ich das eben sehr stark auch als Best Practice verstehen und sehr stark der Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter überlassen, wie stark sie sich daran halten oder wie stark sie davon abweichen, weil es im Einzelfall viel sinnvoller ist, weil sie einfach eine Intention im Hinterkopf haben, die Unternehmensdienlich ähnlich ist. Ich glaube, das ist so das Zweite, was wir, glaube ich, ganz gut mitgeben können.

Sven Schneider

Ich würde sogar sagen, wir tendieren gerade wieder, oder zumindest der Vorschlag tendiert dazu, in der Formalstruktur eine Lösung für die Formalstruktur zu finden, nämlich a mitzugeben das hier ist jetzt Best Practice und das hier ist ein du kannst, du sollst, du musst. Und wenn wir die Formalstruktur mal abgrenzen von dem, was praktisch passiert, also was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich tun, dann ist die Lösung für Dinge in der Formalstruktur, die da vielleicht falsch formuliert sind, schlecht formuliert sind oder Dinge, die nicht praktiziert werden, so wie sie da stehen. Die Lösung ist ganz häufig vielleicht gar nicht auf der Formalebene zu sehen, sondern vielleicht eher genau auf der praktischen Ebene im Gespräch, im Beibringen einer besseren Lösung, im Kommunizieren im Team, im gewissen Umgang mit Fehlern. Also auf praktischer Ebene werden ganz häufig Dinge ausgeglichen und gelebt, die in der Formalstruktur vielleicht sogar falsch aufgehoben werden, würde ich sagen, weil sie einen ganz falschen Eindruck dann vermitteln.

Carsten Behrens

Ja, prima. Wir haben uns noch über viele andere Themen schon mal ganz spannend unterhalten, wie zum Beispiel auch so was wie Generation Y und wo das eigentlich herkommt und gibt es diesen Generationenbegriff aus soziologischer perspektive überhaupt … Ist das vernünftig haltbar?

Sven Schneider

Ich sage da jetzt nichts zu.

Carsten Behrens

Ich sage da nichts zu, sonst wird das Gespräch sehr, sehr lang. Wir lassen es mal für heute dabei. Ich hoffe, es war für alle was dabei. Etwas, was ihr mitnehmen könnt, was ihr morgen schon in euer Gedankenkonstrukt einbauen könnt, wenn es darum geht, Managementsysteme zu gestalten. Aber erst mal ganz herzlichen Dank an dich, dass du heute da warst und ich freue mich auf das nächste Gespräch, was bestimmt früher oder später stattfinden wird, hier auf laufender Kamera.

Sven Schneider

Sehr gerne. Ich bin dann wieder da. Danke dir.

Carsten Behrens

Danke dir auch. Ja, ganz herzlichen Dank, dass ihr heute wieder dabei wart. Folgt uns gerne auf eurem Lieblingskanal für Podcast-Folgen und schreibt Kommentare. Schreibt uns auch persönlich an, wenn ihr Fragen habt oder auf das eine oder andere noch eingehen wollt. Ich freue mich sehr auf ein Highlight, was wir in überschaubarer Zeit haben, nämlich am 27.3. Machen wir eine Live-Folge von Carsten's Corner in Aachen am Nachmittag mit einem der einflussreichsten Qualitätsmanager der letzten Jahrzehnte in Deutschland, nämlich Professor Dr. Thomas Prefi.

Mehr dazu werden wir dann bald veröffentlichen und wir freuen uns, wenn ihr auch vielleicht live dabei sein wollt. Bis dahin.

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Seit 2009 steht die Modell Aachen GmbH für Interaktive Managementsysteme auf Basis der Wiki-Technologie. Mit Software und Managementberatung begleiten wir unsere Kunden auf dem Weg zu prozessorientierter Unternehmensführung sowie leichtgewichtigem Wissensmanagement. Mit unserem Modell Aachen Insights Blog teilen wir unser Wissen rund um die Themen Interaktive Managementsysteme, Prozessmanagement und Qualitätsmanagement mit euch.

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