Carsten's Corner Folge 9: Interaktive Managementsysteme in einem stark regulierten Umfeld

Dr. Carsten Behrens

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Dr. Carsten Behrens

Veröffentlicht am

13.3.2024

Carsten's Corner Folge 9: Interaktive Managementsysteme in einem stark regulierten Umfeld

Peter Wellmann, Experte für Managementsysteme in regulierten Bereichen, teilt in dieser Folge von Carstens Corner sein Wissen. Mit Erfahrung u.a. in der Medizintechnik beleuchtet er, ob und wie interaktive Managementsysteme und Cloud-Software in solchen Umgebungen funktionieren können. Wir sprechen über die Herausforderungen und Chancen solcher Systeme und wie sie Unternehmen effizienter und transparenter machen können.

Wir betrachten:

  • Die Umsetzung agiler Ansätze in regulierten Umfeldern, Kollaboration und Transparenz.
  • Cloud-Software, Software-Validierung und die Rolle der Systemvalidierung beim Anbieter.
  • Risikomanagement und Computersystemvalidierung im Zusammenhang mit Managementsystemen und einem pragmatischen Validierungsansatz.
  • Wie interaktive Managementsysteme die Effizienz steigern und die Einhaltung von Vorschriften erleichtern, indem Prozesse zentralisiert und Redundanzen beseitigt werden.
  • Die unternehmerische Interpretation von Regulierung und der Einsatz integrierter Managementsysteme zur effizienten Umsetzung regulatorischer Anforderungen.

Diese Folge ist für alle interessant, die in regulierten Bereichen arbeiten und ihre Managementsysteme modernisieren und optimieren wollen. Peters Einblicke bieten wertvolles Wissen für den Umgang mit der Komplexität von Managementsystemen in regulierten Umgebungen.

Show Notes:

0:00 Intro

1:33 Kurze Vorstellung Peter Wellmann

2:06 Was für Regularien gibt es zu beachten?

3:45 Kann man so einen partizipativen Ansatz auch in einem stark regulierten Umfeld fahren?

4:53 Iteration in stark regulierten Umfeldern

9:28 Digitalisierung in hoch regulierten Umfeldern

12:40 Computersystemvalidierung und Risikoabschätzung

16:42 Cloud-Software in hoch reguliertem Umfeld

19:38 Nutzenargumentation für Interaktive Managementsysteme im stark regulierten Umfeld

24:30 An welche Stelle im Projekt fällt der Groschen, dass Management-Systeme unternehmerisch wertvoll sein können?


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Vollständiges Transkript

Carsten Behrens

Herzlich willkommen zur nächsten Carstens Corner Folge mit Peter Wellmann, einem Experten für Managementsysteme in einem stark regulierten Umfeld. Und es geht heute vor allem um die Fragestellung, kann man agile Managementsysteme überhaupt in stark regulierten Umfeldern etablieren oder gibt es da große Widerstände? Und als zweite große Frage, wie sieht das überhaupt aus mit Cloud-Software und Software-Validierung im stark regulierten Umfeld? Geht das überhaupt und verändert sich das? Wird das heutzutage einfacher? Und natürlich unterhalten wir uns auch über Nutzen-Argumentation und wie verankere ich interaktive Management-Systeme in stark regulierten Umfelden. Dazu werden wir uns heute austauschen mit Peter Wellmann. Peter, schön, dass du den Weg in Carstens Corner gefunden hast. Herzlich willkommen hier in dieser Ecke.

Peter Wellmann

Dankeschön für die Einladung.

Carsten Behrens

Sehr gerne. Heute ist das erste Mal, dass ich mir wünsche, dass die Kameras nicht so hochauflösend sind, weil ich habe mich noch von der Haut ein bisschen zerstört von meiner letzten Krankheit. Aber ich bin wieder gesund und das ist heute auch so ein bisschen unser Thema. Tatsächlich geht es um Medizintechnik, Pharma, um Arznei im weitesten Sinne vielleicht auch. Du bist sehr viel im Themenfeld Management System unterwegs, aber auch in einer gewissen bestimmten Branche vor allem stark vertreten. Wo bist du da unterwegs und was fasziniert dich daran?

Peter Wellmann

Ja, das war eigentlich ganz zufällig, dass ich in der Medizintechnik gelandet bin. Ursprünglich habe ich mal Maschinenbau studiert. Ist jetzt auch schon ein Vierteljahrhundert fast her. Der erste Einsatz war über einen Personaldienstleister in der Medizintechnik und da bin ich bis heute geblieben. Ich habe natürlich über die Jahre auch immer wieder erleben dürfen, wie die Auflagen, die regulatorischen Anforderungen immer größer wurden, immer mehr wurden und ein Ausweg dazu wäre, ein vernünftiges Management-System einzuführen.

Carsten Behrens

Ja, sehr gut. Das heißt, du bist in einem sehr stark regulierten Umfeld unterwegs, in unterschiedlichen Formen. Was für Regularien sind das so, mit denen du dich auseinandersetzt?

Peter Wellmann

Also man kann es glaube ich zusammenkürzen darauf, dass es hauptsächlich prozessgetriebene Normen sind, also Prozessnormen, Klassiker. Ich glaube, die 9001 kennt jeder. Das ist bei uns in der Medizintechnik die 13485. Und dann gibt es noch jede Menge andere. Umweltmanagement ist so nach und nach im Kommen, aber Risikomanagement, Gebrauchstauglichkeit, Softwareentwicklung, diese Themen.

Carsten Behrens

Ja, aber auch ein bisschen zu GDP und FDA-Themen und so weiter beschäftigen. Ja, klar.

Peter Wellmann

Je nach Markt, wo man gerne hin möchte, muss man eben diese lokalen Anforderungen eben auch erfüllen. Und gerade FDA hat jetzt die Regularien nochmal aktualisiert. In den letzten Wochen, Monaten wurde jetzt aktuell.

Carsten Behrens

Ja. Genau, das ist jetzt sehr spannend, dass wir zusammensitzen, weil wir stehen ja von Modell Aachen Seite aus immer für interaktive Managementsysteme, für diese starke Partizipation. Jeder Mitarbeiter kann mitprägen, mitgestalten, etwas sehr leichtgewichtig, agil, dynamisches. Und gerade so in den ersten zehn Jahren von Modell Aachen, wenn wir Vorträge gehalten haben, haben wir immer zu recht viel Skepsis beigetragen bei den Zuhörern, wenn sie aus stark regulierten Unternehmen kamen. Also gerade aus Medizintechnik, Pharma oder ähnlichem haben die häufig gesagt, ja, das mag vielleicht in anderen Unternehmen funktionieren, aber bei uns geht sowas nicht. Das war eigentlich immer so die Reaktion, die wir dann gehört haben. Wir haben mittlerweile zunehmend Medizintechnik und Pharma und so weiter Kunden in unserem Portfolio. Das hat sich also über die Zeit ein bisschen geändert scheinbar. Welche Erfahrungen machst du in diesem Umfeld? Kann man so einen partizipativen Ansatz aus deiner Sicht auch in einem stark regulierten Umfeld fahren? Geht das? Was sind deine Erfahrungen damit?

Peter Wellmann

Also ganz kurze Antwort. Man muss es natürlich wollen. Das ist klar. Wenn ich mich dagegen wehre, dann ist es nicht möglich. Was man sieht über die Jahre, ich habe es ja eben schon kurz erwähnt, es wird immer mehr. Und das zu überblicken, irgendwie im Zaum zu halten, kann das natürlich nicht eine Person alleine machen. Deswegen Kollaboration, das Abteilungsdenken, was einem dann gerne mal im Weg steht, das muss man vielleicht mal hinten anstellen. Aber die Chancen, die man dadurch hat, das eben zu etablieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, auch sehr schnell, sehr iterativ, was auf den Weg zu bringen, Das muss man wollen, aber das geht.

Carsten Behrens

Jetzt ist Iteration etwas, was in vielen stark regulierten Unternehmen nicht unbedingt ein Lieblingswort ist. Also ich glaube, ich werde zumindest sehr viel damit konfrontiert, dass in diesen Unternehmen viel so in Richtung First-Time-Right gedacht wird. Lasst uns bitte sauber konzipieren, eine saubere Freigabe machen und dann rollen wir das aus und dann darf das auch gerne drei Jahre so bleiben. Welche Erfahrungen machst du in diesem Umfeld?

Peter Wellmann

Es ist ja so, dass die Spirale immer enger wird. Die letzte große Geschichte war die Einführung der MDR, der Medical Device Regulation. Aber sich jetzt dahinter zu verstecken, ja, was Großes machen wir jetzt, finde ich ein bisschen zu kurz gedacht. Also, wir haben ja einen ständigen Wandel. Es gibt immer wieder mal ein Normen Regelwerk, was aktualisiert wird. Dinge, die sich ändern, dass man sagt, ich möchte mein Unternehmen anders aufstellen, ich lager Prozesse aus, ich nehme neue Leute rein. Ich muss halt handeln und ich muss den Überblick haben, um einfach zu sagen, an welcher Stellschraube muss ich jetzt drehen können. In der Entwicklung gibt es auch diese agilen Projekte. Das ist nicht unbedingt etwas, was jetzt jeder kennt oder kann. Es ist auch eine Chance, aber man kann auch viel verkehrt machen. Und so ist es hier auch. Ich muss mich darauf einlassen und das einfach mal ausprobieren.

Carsten Behrens

Aus meiner Perspektive hätte ich das so beschrieben, dass ich sage, zentralistische Systeme, das heißt, es gibt jemanden zentral, der vorgibt, wie es gemacht werden soll, und alle anderen sollen sich daran halten und bitte nicht darüber nachdenken, sind halt sehr statisch. Und ich habe heutzutage ein so dynamisches Marktumfeld, und gerade auch in stark regulierten Unternehmen, weil die Regularien sich so stark verändern, aber auch weil die Marktdynamik extrem hoch ist, dass ich mir so ein zentralistisch-statisches System fast nicht mehr leisten kann, weil das einfach nicht mehr der Zeit Schritt hält. Weshalb es wichtiger ist, zu dezentral gestalteten Systemen zu kommen, also zu kollaborativ-partizipativen Systemen, weil nur die diese entsprechende Agilität und Dynamik mitbringen können, weil ich sonst eine völlige Differenz zwischen Dokumentation und Realität entstehen lasse. Und die Frage ist jetzt die, wie schaffe ich es denn trotz Partizipation, trotz Kollaboration immer noch ein sauber geführtes System zu haben? Und das kann man ja sehr schön über Freigabe Workflows und so weiter lösen, dass es dann nicht ein basisdemokratisch, zentralistisch, chaotisches System ist, sondern ein immer noch sauber geführtes partizipatives System. Und das wird dann tatsächlich auch den Anforderungen von Medizinproduktenherstellern und Pharmaindustrie und Medizintechnikhersteller gerecht. Das kann man schon machen.

Peter Wellmann

Ich glaube, in einem Wort kann man sagen, Transparenz ist wichtig. Und Transparenz kriege ich halt nur hin, wenn ich ein vernünftiges System an der Hand habe. Okay, vielleicht im ersten Schritt muss es nicht ein System sein. Man muss sich halt an einen Tisch setzen und sagen, so wollen wir arbeiten. Aber das entsprechend auch zu dokumentieren. Wie mache ich das? Gerade auch, wenn ich neue Leute einarbeite, wenn ich skalieren möchte, etc. Dann müssen die Prozesse eben sauber sein. Du sagtest, Zentralistisch, ja okay, das ist nicht so das, was wir wollen. Wir wollen ja gemeinsam arbeiten. Nichtsdestotrotz bedarf es ja einer Koordination. Also mir ist immer wichtig, regulatorisch haben wir eben von oben top-down vorgegeben, was muss man machen. Aber das Leben ist ja tatsächlich nicht, dass ich in einer Abteilung was mache, sondern es ist eigentlich immer aus Projektsicht. Ich habe ein Team aus verschiedenen Abteilungen und die haben eine Aufgabe zu tun. Und prinzipiell springen die natürlich dann durch die ganzen Prozesse oder durch die Firma durch und müssen eben die Prozesse optimieren.

Carsten Behrens

Genau, und letztendlich geht es ja darum, es muss natürlich Kompetenzträger geben, die die Regulatorik sehr gut kennen. Die müssen diese Regulatorik eben in die Organisation pünktlich reintragen. Aber es hilft halt nicht, wenn sie das eben stumpf sozusagen in der Organisation überstülpen, sondern das kann eigentlich nur in Kollaboration mit den Fachabteilungen passieren, dass dann aus der Mischung aus Regulatorik und real Bedarf sozusagen, Wege gefunden werden, wie können wir jetzt die Prozesse, die Vorgaben so gestalten, dass sie pragmatisch den Kunden glücklich machen und gleichzeitig der Regulatorik genügen. Und das geht halt sehr gut, wenn man das partizipativ, kollaborativ, dezentral macht. Natürlich mit einzelnen Kompetenzträgern für die Regulatorik, die das moderieren.

Peter Wellmann

Also ich sprach eben über Transparenz. Ich weiß genau, wo welche regulatorische Anforderung umgesetzt wird. Vergleichen wir das jetzt mal mit dem Status quo. Und ich muss sagen, je größer das Unternehmen wird, desto adäquierter ist das Ganze. Es wird viel Papier erzeugt. Es werden viele Dokumente geschrieben. Immer noch Word, Excel, PowerPoint. Da sind Informationen drin. Aber ich muss für jede Information, die ich suche, da reingucken. Und dann kann ich vielleicht sehen, wo und welches Regelwerk habe ich dort umgesetzt. Das heißt, wenn ich kollaborieren möchte, dann brauche ich die Transparenz zu sagen, okay, da hat sich was geändert oder da wollen wir was verbessern. Dann sind die Leute am Tisch und wissen, wo müssen sie hingreifen.

Carsten Behrens

Aber das trifft ganz gut ein Thema, mit dem wir auch immer wieder in Kontakt gekommen sind, dass wir häufig die Rückmeldung bekommen haben, Ja, ist ja schön und gut, dass ihr einen Freigabe-Workflow im Q.wiki habt, aber das ist ja nicht wirklich zum Beispiel FDA-konform, sondern da braucht man ja dann eine handschriftliche Unterschrift und dann muss man das ablegen und dann muss das als eine Quelle der Wahrheit sozusagen handschriftlich unterschrieben werden. abgelegt werden. Nur so ist das gültig. Das haben wir relativ lange so gehört. Wir erleben, dass sich das gerade recht stark verschiebt, was diese Thematik betrifft, dass es durchaus akzeptiert wird, wenn man eben das über Workflows gestaltet, wenn man digitale Unterschriften, digitale Signaturen nutzt, aber tatsächlich das eben adäquat angepasst an das Risikoniveau macht, indem ich mich bewege dass es aber eine deutliche, zunehmende Offenheit gibt für einfach Freigaben, Freigabeworkflows. Kommst du damit auch in Kontakt oder wie viel steckt dieses, das muss Papier sein?

Peter Wellmann

Du machst da gerade ein richtig großes Fass auf, ja.

Carsten Behrens

Wie viel kommst du noch damit in Kontakt, dieses, es muss noch Papier und unterschrieben sein?

Peter Wellmann

Tatsächlich war ich vor anderthalb Jahren noch in einem recht großen Unternehmen tätig, dem ich geholfen habe, und da war das gültige Medium tatsächlich Papier. Wie es jetzt ist, kann ich nicht sagen. Die Interessen sind natürlich so, dass man das entsprechend verbessert, durch die Einführung von einem Tool, einer anderen Arbeitsweise. Und da ist es auch so, wenn man da mal genau hinschaut auf die Firma an sich, Dann gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, Freigabe zu machen. Die drucken das aus, Papier, Ordner und abheften. Dann Unterschriften einscannen. Wir reden jetzt mal nicht über die Gültigkeit, jetzt so fortgeschritten oder qualifizierte Signatur ist ein anderes Thema. Aber natürlich eine Möglichkeit einscannen, das entsprechend dokumentieren. Dann haben wir verschiedene Tools, die Möglichkeiten, wie ich es schon sagte, ist ein Workflow integriert. Da muss man sich halt überlegen, reicht das aus? Also ich würde jetzt sagen, der Patient ist nicht gefährdet. Also dann kann ich das vielleicht anders unterschreiben, als wenn ich jetzt sage, ich mache eine Konformitätserklärung. Da kann man sich überlegen, ist das immer noch Tinte? Ist das eine qualifizierte Signatur? Aber wie möchte ich das denn jetzt über die Firma ausrollen? In welchen Prozessen mache ich das? Ich hatte Firmen, die haben vier verschiedene Prozesse gehabt. Oder wenn wir die Tools dazu nehmen, dann sind es vielleicht fünf, sechs, sieben verschiedene Prozesse, wie ein Dokument freigegeben wird. Ist natürlich ein Albtraum für die Nachverfolgung oder das vernünftig zu finden. Nichtsdestotrotz, ja, man beschäftigt sich damit. Du hattest auch diesen risikobasierten Ansatz angesprochen. Das ist natürlich die Stellschraube schlechthin, weil das böse Wort Computersystemvalidierung, damit werden wir ja sehr stark konfrontiert. Da muss man wirklich auch mal sich hinstellen und sagen, wir haben hier eine pragmatische Lösung und natürlich sind wir auf einem Weg und der Weg wird auch weitergehen. Und was jetzt noch nicht gefordert ist, ist vielleicht in einem Jahr dann dran, dass man es machen muss. Aber wenn ich es vergleiche mit dem Status quo, dann sind wir doch auf einem guten Weg.

Carsten Behrens

Genau, also unsere Erfahrung ist in dem Punkt, dass Management-System-Dokumentation meistens ja nicht unmittelbar lebensbedrohlich ist. Und dann kommt es noch ein bisschen darauf an, in welcher Branche bewege ich mich. Also bin ich ein Medizinprodukte-Verpackungshersteller oder bin ich ein Herzschrittmacher-Hersteller? Das hat halt natürlich einen starken Einfluss darauf, wie ich mein Risikoniveau sozusagen sehe. Und letztendlich ist es so, dass wir ganz gerne mit unseren Kunden so eine Risikoabschätzung machen. Wie sieht das denn aus? Wie risikobehaftet ist das denn, wenn ich jetzt ein Workflow einfach über das Q.wiki laufen lasse und damit die Freigaben steuere? Was typischerweise verbunden ist eben mit der Nutzerverwaltung und Rollenverwaltung der IT, also mit einer Active Directory Anbindung oder Azure Anbindung. Und wenn man sich das dann anschaut, welches Risiko haben wir und wie ist es technisch gelöst, kommt man typischerweise zu einem Ergebnis, dass es absolut ausreichend ist, so ein Workflow zu steuern im Q.wiki, die Freigaben von Arbeitsanweisungen, Prozessbeschreibungen und ähnlichen. Das ist nicht unbedingt die Sicht aller Medizintechnik-Spezialisten, aber das ist die, die sich zunehmend, meines Eindrucks nach, durchsetzt. Das ist im Themenfeld Management-System-Dokumentation absolut ausreichend, auch für recht stark regulierte Umfelder.

Peter Wellmann

Also wir haben ja, ich habe da jetzt böse Worte gesagt, Computersystemvalidierung, dem zugrunde liegt ja dieser GAMP5-Standard. Der ist ja damit integriert, den jeder, der EDV oder IT-Themen macht, sollte den ja kennen. Es ist aber nicht so, dass das jetzt einfach nur ein paar Häkchen sind. Es geht darum, einen Prozess zu haben. Wie habe ich sowas bei mir implementiert und risikobehaftet? Natürlich, es gibt da irgendwo solche Anforderungen, da steht dann halt drin, wenn das qualitätsrelevant ist oder digitale Aufzeichnung oder oder oder, dann fällst du eben unter diese Validierungspflicht. Gehen wir doch mal mit einem – ich vermeide es gerne – gesunden Menschenverstand ran. Wer würde denn ein Tool irgendwie einsetzen, das ständig abstürzt, was nicht funktioniert, wo ich ständig Probleme habe? Bei der Validierung habe ich ja zwei Themen. Einmal die Anwendung, so wie ich das System tatsächlich nutze. Also ich kann ja Excel jetzt zum Beispiel nutzen, um ein paar Sachen auszurechnen im Vertrieb. Dann ist das völlig irrelevant. Wenn ich aber damit ein Kalibrierungszertifikat ausstellen möchte, dann sollte dahinter das auch vernünftig validiert sein. Also was das Validierungsthema angeht, da ist es ja so, wie ich eben sagte, dass man, wie nutzt sich das Programm tatsächlich im Alltag? Und darunter habe ich ja noch diese technische Ebene. Das ist, je nach Kritikalität des Systems muss man eben weiter abtauchen, so als würde man praktisch fast schon eine eigene Softwareentwicklung machen. Also da muss ich eben auf technischer Ebene schauen, sind die Funktionen drin?

Carsten Behrens

Genau, also das ist etwas, was uns auch immer wieder begegnet. Es ist das Thema Systemvalidierung. Ja, was so eine gewisse Historie auch durchlebt hat, aus meiner Sicht, uns gegenüber zumindest beim Modell Aachen. Und zwar ist es so, dass wir früher im Prinzip ein Stück weit Individualsoftware gemacht haben. Also die Software angepasst und die Kundenanforderungen. Und das ist natürlich zum Beispiel ein ganz anderes Validierungsniveau oder wie man dann validieren muss als Endkunde, als wenn das Standardsoftware ist. Mittlerweile sind wir reiner Standardsoftware-Anbieter. Das heißt, wir können das sozusagen sehr stark vorvalidieren und sagen, hier, du benutzt es im Prinzip genauso, wie wir es entwickelt haben. Und dadurch, dass wir Test-Driven-Design machen, also wir entwickeln erst Tests und entwickeln dann die Software gegen die Tests, haben wir eine vom Grundsatz her sehr schön vorvalidierte Software. Und dadurch, dass wir eine sehr hohe Testabdeckung haben von dem, was wir entwickeln, ist also schon eine sehr hohe Vorvalidierung da. Und als Standardsoftware haben wir eben einen deutlich geringeren Validierungsumfang auf Kundenseite dann, weil er das sozusagen nur noch in seinem Anwendungszusammenhang validieren muss.

Peter Wellmann

Genau, das entspricht ja genau diesen GAMT-Klassen, dass man eben sagt, das ist jetzt eine vorkonfigurierte Software oder konfigurierbar oder komplett Neuentwicklung, Eigenentwicklung. Genau.

Carsten Behrens

Genau, und jetzt ist es so gewesen, dass wir früher viel auch On-Premise-Software angeboten haben, dass das beim Kunden auf dem Server installiert wurde. Dann hatte er wirklich noch mal eine andere Systemumgebung. Mittlerweile machen wir fast ausschließlich Cloud-Software. Das heißt, die Systemumgebung ist eigentlich klar definiert, weil sie ist einfach bei uns. Es läuft bei uns auf dem Server so, wie es auch entwickelt wurde. Das heißt, die Systemvalidierung wird dadurch tatsächlich noch überschaubarer. Weil die Systemumgebung beim Kunden ist kaum noch veränderlich. Weil er nutzt das Produkt einfach über einen Browser, der vielleicht noch definierte Parameter hat, eine definierte Konfiguration. Aber das heißt, an der Systemumgebung ändert sich dann gar nicht mehr viel. Das heißt, das fand ich sehr interessant. Letztens in einem Vortrag, den ich gehalten hatte, in einem stark regulierten Umfeld auch, wo dann ein Teilnehmer sagte, ja, ich gehe davon aus, dass Cloud-Software eventuell zukünftig gar nicht mehr validiert werden muss, kundenseitig, sondern ausschließlich herstellerseitig. Weil im Prinzip eine Systemumgebung ändert sich nichts mehr bei Auslieferungen, weil es als Cloud-Software sowieso von dem Cloud-Anbieter betrieben wird und die Systemumgebung definiert ist. Das fand ich ganz interessant. Was man auf jeden Fall sehen kann, ist, dass die Offenheit für Cloud-Software auch im stark regulierten Umfeld massiv gestiegen ist. Und gleichzeitig, dass das Thema Systemvalidierung immer mehr auf Anbieterseite rutscht, weil er im Prinzip die komplette Systemumgebung ja selbst definiert und auch beibehalten wird, weil das Produkt ja gar nicht mehr ausgeliefert wird, sondern in der Systemumgebung einfach nur bereitgestellt wird.

Peter Wellmann

Ja, insofern, dass man eben sagt, das, was ich als Anwender damit mache innerhalb meines Prozesses, das werde ich weiterhin validieren müssen. Da kommt man wahrscheinlich so nicht rum. Du sprachst die Akzeptanz an. Ja, die ist deutlich gestiegen. Es hat ja auch riesen Vorteile. Also, wenn jetzt ein großes Unternehmen sagt, ich möchte das unbedingt aus diesen und jenen Gründen auf meinem eigenen Server haben. Okay. Der Mittelstand ist, glaube ich, dankbar dafür, dass man sowas auslagern kann mit diesen Vorteilen. Ich meine, das Gesamtpaket, wie üblicherweise, man bezahlt für die Leistung und das wird gewartet. Wunderbar. Ich meine, die Kompetenz muss man ja auch erstmal im Haus haben, dass man sowas machen kann. Ja, also es wird auf jeden Fall besser akzeptiert und gerade auch die Zusammenarbeit ist ja einfacher, wenn ich ein verstreutes Team habe. Gerade auch wieder großer Kunde, weltweit unterwegs, das heißt Kollaboration über alle Kontinente, da macht sowas natürlich richtig Sinn.

Carsten Behrens

Genau, aber das Thema Systemvalidierung hat sich schon ein bisschen verschoben über die Zeit aus meiner Sicht, gerade Richtung Cloud-Produkte. Und das finde ich sehr schön zu sehen, dass da eine deutlich größere Offenheit dafür ist und die Validierung eben mehr zum Hersteller sich verlagert. Das finde ich persönlich da sehr, sehr, sehr angenehm. Aber drehen wir nochmal so ein bisschen den Kreis zurück zu Management-Systemen im stark regulierten Umfeld. Was ist so deine Nutzen-Argumentation, wenn du zum Beispiel auf Geschäftsführung, auf Qualitätsmanager, Management-Systemverantwortliche zugehst und sagst, lasst uns das doch mal wertschöpfend ausgestalten, interaktiv ausgestalten. Wie gehst du da vor? Wie ist so deine Nutzen-Argumentation gegenüber diesen Rollen?

Peter Wellmann

Ja, es ist halt so, ich wende mich natürlich immer gerne an die Person, die das Portemonnaie aufmachen muss. Nicht jetzt, um das Produkt zu kaufen, sondern der tagtäglich diese ganze Verschwendung bezahlen muss. Es gibt ja verschiedene Studien, wo man sagt, 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit ist Verschwendung aufgrund von suchen, nicht finden, nochmal was machen, falsche Dinge tun. Und wenn man jetzt halt an dem System anfängt, dann muss man sich natürlich mal hinsetzen und sagen, was will ich denn gerade? Viele sagen, gerade bei unserer Medizintechnik, das Zertifikat 13485, alles andere wird untergeordnet und das nehmen wir jetzt. Okay, kann man machen. Nichtsdestotrotz, ich habe in meiner Firma ja auch andere Dinge, die jetzt vielleicht nicht hundertprozentig unter das Regularium fallen, wie zum Beispiel eine Buchhaltung oder eine Inventur. Also bestimmte Dinge. Die müssen auch gemacht werden. Da sind Leute drin, die werden bezahlt. Die müssen die Arbeit auch trotzdem gut machen. Ich muss trotzdem neue Mitarbeiter finden können. Ich muss sie einarbeiten können. Ich muss sie schulen können. Also muss ich es auch beschreiben. Und so ein integriertes System hat dann einfach den Vorteil, dass ich diese ganze Information, dieses, nennen wir es Wissensmanagement, an einen Ort packe. Und wenn ich eine neue Person brauche, sehr schnell einarbeiten. All diese Themen, die kann ich zusammenbringen. Und Status Quo ist, dass irgendjemand das so nebeneinander schreibt, dann gibt es ein neues Regelwerk, dann macht man mal eine Liste mit einer Referenztabelle und dann kommt noch ein Regelwerk und dann macht man noch eine Referenztabelle. Da muss man sich fragen, möchte ich so weitermachen.

Carsten Behrens

Das sind eigentlich so zwei Stränge. Das eine ist, wie schaffe ich es, Regulatorik so umzusetzen, dass sie unternehmerisch interpretiert wird? Wie schaffe ich das unternehmerisch sinnvoll zu interpretieren, die Regulatorik? Und das andere ist, wie kann ich über den Ansatz Management-System die Suchzeiten und Rückfragezeiten und die Schnittstellenverluste in Organisationen minimieren, sodass die Organisation gut funktioniert? Das sind eigentlich die zwei großen Hebel. Und gerade bei der unternehmischen Interpretation der Regulatorik hilft natürlich der Ansatz integrierter Management-Systeme, das was du gerade im Prinzip angedeutet hast. Das heißt, dass ich die Prozesslandschaft einmalig abbilde, die Geschäftsprozesse einmalig abbilde und alle Anforderungen in die Prozesse rein integriere, sodass ich keine redundanten Regelwerke schaffe, oder dass ich Regelwerke schaffe, die sich im Idealfall auch noch widersprechen, also im Worst-Case widersprechen, sondern dass ich einmalig die Geschäftsprozesswelt abbilde und dort alle Regularien, die dort irgendwie berücksichtigt werden müssen, entsprechend wirklich reinwebe sozusagen in die Prozesse, sodass an jedem Prozessschritt klar wird, was muss ich jetzt hier alles berücksichtigen.

Peter Wellmann

Also ich kann da vielleicht noch ein konkretes Beispiel bringen. Man sieht ja, wie die Dinge über die Jahre gewachsen sind. Und ich reite gerne darauf rum, dieses Abteilungsdenken war halt immer stark. Wir müssen halt zusammenarbeiten. Und ich habe kürzlich meinem Kunden geholfen, durch ein Audit zu kommen. Wir haben quasi dort auch Q.wiki eingeführt, sind da wirklich sehr, sehr gut durch das Audit gekommen. Also der Auditor war da schon schwer begeistert, was da möglich ist. Aber wenn man die alten Prozesse genommen hat und legt die mal so nebeneinander und darum geht es ja zu schauen, auch Regelwerke überschneiden sich ja thematisch und da war es eben so, dass verschiedene Abteilungen verschiedene Dinge beschrieben haben und als Beispiel in der Entwicklung musste man jetzt ein Muster bestellen. Also hat der Entwicklungsleiter, weil er sagt, ich muss ja zwischendurch mal Sachen bestellen, hat er da ein riesen Pamphlet eingebaut, wie man jetzt einen Bestellprozess da in der Entwicklung abbildet. So, derjenige, der eigentlich für den Einkaufsprozess zuständig ist, der hat es ja auch gemacht für die anderen in der Firma. Und dann gab es vielleicht noch irgendwo einen Projekteinkauf oder irgendwas anderes, die auch was einkaufen wollten, die haben das wiederum anders beschrieben. So, und das jetzt zu nehmen, an eine Stelle zu packen und sagen, hier ist jetzt einfach unser Bestellvorgang, so läuft der eben ab, dann haben wir eben diese Sachen schön zentralisiert an eine Stelle.

Carsten Behrens

Ja, ganz genau. So oder sehr ähnlich argumentieren wir das auch. Es ist so ein bisschen zielgruppenabhängig. Bei einem Qualitätsmanager zum Beispiel gegenüber ist die Nutzenargumentation für ein interaktives Management System eine andere als gegenüber einem Geschäftsführer. Aber die Erfahrung machst du auch. Du hast jetzt mehr so die Perspektive gegenüber dem Geschäftsführer sozusagen skizziert.Vielleicht noch eine letzte Frage, Peter, und zwar, an welcher Stelle hast du in den Projekten immer das Gefühl, dass jetzt der Groschen gefallen ist, dass Management-Systeme unternehmerisch wertvoll sein können? Ich mache die Erfahrung, dass das immer so ein bisschen Zeit braucht, bis das so erlebbar, erfahrbar wird und so der Groschen fällt. Was ist so deine Erfahrung an dem Punkt?

Peter Wellmann

Das ist natürlich auch eine Sache, die auf Vertrauen basiert. Das heißt, man ist eine ganze Zeit lang mit dem Kunden unterwegs und man bohrt natürlich hier und da so ein bisschen in der Wunde und zeigt Beispiele. Auch unsere Arbeit steht ja dafür, dass wir erstmal losgelöst von irgendeinem Tool diskutieren. Natürlich, Menschen sind visuell veranlagt. Das heißt, wenn ich das schön vorführen kann, ich klicke jetzt hier, ich mache dies, ich mache jenes, dann kommt das schon besser rüber. Aber wenn man diese Zusammenhänge mal aufzeigt und wie einfach man diese Komplexität doch in den Griff bekommen kann, und nicht nur aus einer Brille schaut, sondern aus anderen Brillen. Das heißt, wenn ich hier jetzt vielleicht mal fünf Minuten mehr investiere, dann ist der Prozess vielleicht fünf Minuten schlechter. Aber wenn der Nachfolgeprozess dann eine halbe Stunde profitiert davon, dann ist es unter dem Strich ja für die Firma 25 Minuten Gewinn. Klingt jetzt relativ simpel. Aber wenn man diese Beispiele tatsächlich mal aufzeigt in der Firma, dann werden die Ohren spitzer und dann kommt man auch da wirklich ins Gespräch und dann geht's los.

Carsten Behrens

Ja, wobei das immer so ein zweischneidiges Schwert ist, so wie du es beschreibst, wie ich finde zumindest. Und zwar bin ich der festen Überzeugung, dass wenn das abstrakt dem Unternehmen hilft, also ich auf der einen Seite fünf Minuten spare und auf der anderen Seite irgendwo 25 Minuten da 5 Minuten investiere, woanders 25 Minuten gewinne, dass das trotzdem dazu führen kann, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das nicht wirklich besser akzeptieren, weil das nur ein abstrakter Unternehmensnutzen ist, aber kein persönlicher Nutzen. Und dass so richtig der Groschen dann fällt, wenn der persönliche Nutzen erlebbar geworden ist. Dass sie merken, ach guck mal, das ist ja wirklich ein Werkzeug, mit dem ich einfach real Zeitspare, mit dem ich stressfreier arbeiten kann, was mich entlastet, was mich beschleunigt, was mir ermöglicht, weniger Überstunden zu machen. Also wenn das einen persönlichen Impact hat, dass dann der große Groschen fällt und sagt, da stehe ich jetzt voll hinter, da gebe ich Gas.

Peter Wellmann

Würde ich so unterschreiben.

Carsten Behrens

Super. Vielen Dank für den Austausch. Ich fand es wieder ein tolles Gespräch. Wieder was gelernt zum Thema regulierte Umfelder. Genau. Ich hoffe, dass wir auch da wieder schöne Anregungen für unsere Gäste haben konnten und freue mich auf die nächste Carsten's Corner Runde. Genau. Dankeschön.

Danke für die Einladung.

Carsten Behrens

Ja, ich hoffe es waren einige Impulse für euch auch dabei, dass ihr da wieder etwas mitnehmen konntet. Wir freuen uns über viele Kommentare, über Likes und natürlich auch über ein weiteres Teilen in eurem Umfeld, dass es diesen Carstens Corner Folgen gibt. Wir freuen uns auf die nächste Folge. Bis dann. Ciao.

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