Der Qualitätskompass: Folge 5 - Prozesse im passenden Umfang dokumentieren

Fabian Kröppel

Von

Fabian Kröppel

Veröffentlicht am

13.6.2023

Der Qualitätskompass: Folge 5 - Prozesse im passenden Umfang dokumentieren

Vollständiges Transkript

Hallo zusammen und herzlich Willkommen zur fünften Folge unseres Formats „Qualitätskompass“. Nach zwei spannenden Folgen meiner Kollegin Ella, hört ihr nun wieder von mir.

Stellen wir uns folgende Ausgangssituation gemeinsam vor: Ihr steht vor dem initialen Aufbau eines formalisierten Managementsystems, welches unternehmensweit genutzt werden soll. Oder aber es steht eine Überarbeitung und damit ein Umbau eures bestehenden Managementsystems an.

Und wie in den ersten Folgen erörtert, ist eine breite Akzeptanz des Managementsystems euer Ziel. Deshalb habt ihr es euch zur Aufgabe gemacht, eure Kolleginnen und Kollegen bei der anstehenden Veränderung bestmöglich zu begleiten. Nun steht ihr vor der realen Herausforderung: Formalisieren, also Prozesse dokumentieren und ein System aufzubereiten, ist mit Zeit und Aufwand verbunden.

Und wie wir alle Wissen, die Kapazität dafür ist knapp – operative Aufgaben bestimmen den Arbeitsalltag! Kundentermine, dringende Mails oder Fristen, die eingehalten werden müssen. Zudem fühlt sich für viele die Prozessdokumentation nach einem „Zusatz“-Thema an

Aus genau diesem Grund ist es ratsam die geplante Veränderung für Kolleginnen und Kollegen so auszugestalten, dass diese nicht als lästig oder gar überflüssig angesehen wird.

Motivieren ist hier die Hauptaufgabe – die Gefahr besteht jedoch von Prozessdokumentation und der Nutzung dieser abzuschrecken.

Zwei hilfreiche Aspekte diesbezüglich haben wir bereits in vergangenen Folgen behandelt:

Immer wieder werdet ihr bei eurem Vorhaben auf folgende Frage stoßen: Wie viel Aufwand ist im Zuge dieser Veränderung zumutbar und welcher Umfang der Dokumentation muss schlussendlich erreicht werden?

Grundsätzlich gilt: Niemand sollte Dokumentieren, nur des Dokumentierens wegen! Vielmehr sollte ein greifbarer Mehrwert für die Adressaten geschaffen werden.

Nun aber: Was ist der geeignete Umfang der Prozessdokumentation?

Aber was bedeutet eigentlich „Umfang“ im beschriebenen Kontext? Der „Umfang“ der Prozessdokumentation teilt sich dabei in zwei Perspektiven auf. Dazu schauen wir uns folgende Grafik an:

Auf der horizontalen Achse stehen aufeinanderfolgende Prozesse. Vielleicht startet vorne die Entwicklung eines Produktes. Dann müssen im nächsten Schritt dafür Kunden gewonnen werden, Angebote erstellt und Teile eingekauft werden. Darauffolgend wird das Produkt bei Bestellung produziert und zum Schluss ausgeliefert.

Diese End-to-End-Dokumentation der Kernprozesskette sollte bestmöglich vollständig bzw. lückenlos stattfinden. Was passiert zu welchem Punkt in der Kette und in welcher Reihenfolge läuft diese ab? Nur so kann man die Prozesskette ganzheitlich betrachten und sinnhaft evaluieren.

Daraus ergibt sich eine Orientierung für die Nutzer des Managementsystems auf einer eher hohen Flugebene. Das ist die EINE Perspektive des Umfangs. Die andere ergibt sich mit Blick auf die vertikale Achse. Jeder dieser Teilprozesse kann nun unterschiedlich umfassend beschrieben werden, entweder oberflächlich oder aber tiefergehend, ausgestaltet mit vielen Details. Oft wird darunter der "Detaillierungsgrad" verstanden.

Hier hinter verbirgt sich der Großteil des „Umfangs“ der Prozessdokumentation. Bei dieser vertikalen Perspektive kommt oftmals die Forderung nach einer gewissen „Einheitlichkeit“ auf. Es soll diesbezüglich eine allgemeingültige Vorgabe für alle Prozesse definiert werden bis in welche Detailtiefe dokumentiert werden soll.

Dahinter steckt oft die Absicht herauszufinden, wann die Prozessdokumentation „abgeschlossen“ ist. Jedoch vor dem Hintergrund, dass sich Prozessdokumentation entwickelt und nach und nach aufgebaut wird – bei begrenzter Kapazität - ist das Streben nach Einheitlichkeit und einer allgemeinen Definition von Detailtiefe ein Trugschluss.

WARUM? Einheitlichkeit schafft doch ein klares Zielbild. Das stimmt oftmals auch, ABER es gibt unterschiedliche Prozessarten. Diese unterscheiden sich in Aspekten wie zum Beispiel:

• Variabilität,

• Häufigkeit der Ausführung,

• Komplexität oder

• Expertise der Ausführenden

Um vielmehr sollte man sich Rückbesinnen auf den ursprünglich ausgemachten Zweck der Prozessdokumentation. Eine Hilfestellung für den Adressaten und die jeweils bestimmte Detailtiefe wird dabei je nach Prozessart unterschiedlich sein.

Welche Beispiele einer sinnvollen vertikalen Uneinheitlichkeit sind hier anzuführen? Die Angebotserstellung für eine hochkomplexe, technische Anlage. Hier gibt es sicherlich unzählige Fallstricke, über die initial aber auch Wochen später gestolpert werden kann. Eine detaillierte Beschreibung sowie die Dokumentation von Hinweisen unterstützten den Adressaten enorm.

Ein weiteres Beispiel hier: Auslagen einreichen. So schwer kann das doch nicht sein, aber das macht man auch nicht jeden Tag. Und es gibt viele kleine Feinheiten, die aus Buchhaltungssicht eingehalten werden müssen, sonst kann der Beleg nicht akzeptiert werden und der Prozess muss teilweise erneut durchlaufen werden.

Genau diese Beispiele führen oftmals zu unfassbarem Frust, der mit kleinen Hilfestellungen vermieden werden kann.

Ein anderes Beispiel ist Prozesse in Unterstützung von stark usergeführten IT-Tools, welche wahrscheinlich täglich mehrfach ausgeführt werden. Hier braucht es keine umfangreiche, detaillierte Beschreibung. Der Aufwand kann eingespart werden und ist anderweitig besser aufgehoben.

Was sind also Informationen / Details, die wirklich über die erfolgreiche und frustfreie Ausführung eines Prozesses entscheiden?

Ihr seht es schon an den Beispielen – Von Organisation zu Organisation, von Prozess zu Prozess, aber auch von Mensch zu Mensch kann das unterschiedlich sein!

Um den zutreffenden Umfang der Prozessdokumentation zu finden, gilt es, Kolleginnen und Kollegen bei Ihren Herausforderungen zuzuhören. Und keine allgemeingültige Vorgabe wie ein Gesetz „durchdrücken“ zu wollen.

Was sind Aspekte im Prozess, die unklar sind? Detailliert erläutern, sodass diese Unklarheiten beseitigt sind.

Was ist in der Vergangenheit schiefgelaufen? Umfangreich beschreiben und damit Fehlern oder Frust vorbeugen.

Aber auch: Welche Aufgabe / Tätigkeit ist wirklich jedem klar? Weglassen und den Prozess so schlank wie möglich halten

Zusammenfassend und auf das Eingangsszenario zurückkommend: Es ist wichtig diesen Changeprozess in Bezug auf das Managementsystem und die Prozessdokumentation zu begleiten – keine Frage! Das Ziel dabei ist wirklich Nutzen für den Adressaten zu stiften und eine Hilfestellung zu kreieren, die Unklarheiten aus dem Weg räumt. Und hier hilft eine Dokumentation „je nach Bedarf und Kapazität“.  

Denn eins ist auch klar, Unternehmensprozesse bleiben dynamisch, und somit ist die zugehörige Prozessdokumentation nie fertig. Es ist sogar beabsichtig, dass sich immer etwas ändert, so wie es Ella mit der „Chance der inkrementellen Prozessverbesserung“ beschrieben hat.

Wichtig bleibt: Systemwert schaffen, sodass der wahrgenommene Nutzen den wahrgenommenen Aufwand für eure Kolleginnen und Kollegen übersteigt.

So bleibt uns zum Abschluss der gewohnte Blick auf die Werttreiber.

Unter anderem:

Reduzierte Suchzeiten, da genau der gesuchte Prozess passend dokumentiert ist und die gesuchte Hilfe im Alltag so schnell gefunden werden kann.

Verringerte Einarbeitungszeit durch Detailwissen an den wichtigen Stellen und nicht unnötig aufgeblähte Prozessbeschreibungen an anderen.

Oder aber weniger Verlust an Schnittstellen, die in der Vergangenheit nicht ausführlich genug beschrieben wurden.

Und damit sind wir auch schon wieder am Ende dieser Folge. Wir freuen uns auf weiteren Austausch mit euch – bis zum nächsten Mal!

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