Flexibilität vs. Struktur: Die Wahl der richtigen Prozessmodellierung

Tim Grafenhorst

Von

Tim Grafenhorst

Veröffentlicht am

18.6.2024

Flexibilität vs. Struktur: Die Wahl der richtigen Prozessmodellierung

In einer Zeit, in der Geschwindigkeit und Effizienz für Unternehmen entscheidend sind, ist die richtige Prozessmodellierung oft der Schlüssel zur Optimierung von Abläufen. Doch während die Vielfalt an Modellierungsmethoden immer größer wird, wird die Auswahl der passenden Methode zu einer immer größeren Herausforderung. Man steht vor der Frage, ob man sich an einen Standard wie BPMN 2.0 (Business Process Model and Notation) orientieren sollte oder ob flexiblere Ansätze wie Prozess-Tabellen die bessere Wahl sind. Viele Unternehmen sind verunsichert: Welcher Weg ist der richtige? Gibt es überhaupt die eine, beste Methode? Und wie entscheidet man sich für die Methode, die wirklich zu den individuellen Bedürfnissen passt?

Widmen wir uns zunächst der Frage: Wie finde ich den richtigen Ansatz für mein Unternehmen oder meinen Prozess? Die Wahl des optimalen Ansatzes für die Prozessmodellierung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem von der Komplexität der Geschäftsprozesse, den Bedürfnissen der Mitarbeiter, der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, und den spezifischen Zielen, die durch die Modellierung erreicht werden sollen. Um den richtigen Ansatz zu finden, ist es wichtig, eine gründliche Analyse der aktuellen Arbeitsabläufe und Anforderungen durchzuführen, die verschiedenen Modellierungsmethoden zu verstehen und ihre Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen.  

Werfen wir zunächst einen Blick auf die gängigsten Methoden der Prozessmodellierung und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile. Von traditionellen Ansätzen wie Prosatexten über Standards wie BPMN 2.0 bis hin zu Techniken wie Turtle-Darstellungen bietet die Welt der Prozessmodellierung eine Vielzahl von Möglichkeiten. Jeder Ansatz birgt jedoch seine eigenen Herausforderungen aber auch Chancen, die es zu verstehen und abzuwägen gilt.  

Die wichtigste Frage zur Auswahl der Modellierung: Was ist das Ziel der Modellierung?

Das übergeordnete Ziel jeder Prozessmodellierung ist es, die Abläufe und Strukturen eines Unternehmens oder einer Organisation klar, verständlich und effizient zu darzustellen. Durch die Modellierung von Prozessen werden komplexe Arbeitsabläufe in leicht verständliche Darstellungen übersetzt, Schnittstellen präzise definiert und eine verlässliche Grundlage zur Prozessdurchführung geschaffen. Zudem ermöglichen sie die Analyse und Optimierung von Prozessen sowie die Kommunikation bei Veränderungen innerhalb der Abläufe. Dies umfasst beispielsweise Systemsoftware Umstellungen, ERP-Wechsel oder auch organisatorische Umstrukturierungen sowie die Einführung neuer Produkte.

 Letztendlich soll die Prozessmodellierung dazu beitragen, klare Spielregeln zu definieren, umzusetzen und damit die Effizienz zu steigern oder auch Fehler zu vermeiden. Je nach Kontext und Anwendungsfall können die Ziele der Prozessmodellierung variieren. Ein entscheidender Aspekt ist dabei, ob die Modellierung human- oder technikzentriert ist.  

Bei humanzentrierter Modellierung steht der Mensch im Mittelpunkt. Hier geht es darum, den Mitarbeitern Hilfestellungen im Alltag zu geben, Arbeitsprozesse zu erleichtern und zu strukturieren, sowie die Qualität der Arbeit zu sichern. Diese Form der Modellierung findet besonders im Bereich des Qualitätsmanagements Anwendung, wo es darum geht, den Mitarbeitern klare Anweisungen und Richtlinien zur Verfügung zu stellen, um die Produktivität zu steigern und Fehler zu reduzieren.  

Technikzentrierte Modellierung hingegen fokussiert sich auf die Maschinen und technischen Systeme, insbesondere wenn Workflows digitalisiert werden sollen. Hierbei ist das Ziel, technische Abläufe so zu modellieren, dass sie von Maschinen effizient ausgeführt werden können. Dies ist besonders wichtig in der Industrie 4.0, wo die Automatisierung und Digitalisierung von Produktionsprozessen im Vordergrund stehen. Durch eine präzise Modellierung können Maschinen und Systeme optimal konfiguriert und gesteuert werden, um maximale Effizienz und minimale Ausfallzeiten zu gewährleisten.  

In vielen Unternehmen gibt es “verschiedene Lager” und Ansichten zum Prozessmanagement. Als Fazit kann man sich merken:  

  • Humanzentrierte Prozessdarstellungen = Verständnisvorteile bei “Kochrezepte” für Mitarbeiter + Visualisierungen mit BPMN 2.0 light für den schnellen Überblick auf der hohen Flugebene.
  • Technikzentrierte Prozessdarstellungen = große Vorteile bei BPMN 2.0 für Workflow-Engines  

Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen: Gibt es ein ideales Modell? Nein!  

In der Prozessmodellierung gibt es nicht die eine, universelle Methode, die alle Anforderungen und Bedürfnisse eines Unternehmens perfekt abdeckt. Vielmehr liegt die Stärke in der Kombination verschiedener Ansätze, um die spezifischen Anforderungen bestmöglich zu erfüllen.  

Es ist jedoch wichtig, zwischen BPMN 2.0 und BPMN 2.0 Light zu unterscheiden. BPMN 2.0 bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Modellierung sehr komplexer Prozesse und Schnittstellen. Diese Komplexität überfordert die meisten Anwender. Hier setzt BPMN 2.0 Light an. Diese vereinfachte Visualisierung wird eingesetzt, um die Verständlichkeit zu erhöhen und damit die Hürde für technisch weniger versierte Anwender zu senken, BPMN zu verwenden.

BPMN 2.0 light kann also dazu genutzt werden, um die zahlreichen und komplexen Schnittstellen in einem Prozess darzustellen. Es bietet eine einheitliche und verständliche Visualisierungsmethode, die eine effiziente Integration sowohl in menschlichem als auch in maschinellem Kontext ermöglicht. Dies ist besonders hilfreich bei der Darstellung komplexer Prozesse mit vielen Interaktionen und Schnittstellen. Durch die klare Struktur und standardisierte Notation der BPMN 2.0 light können Unternehmen Prozesse besser verstehen, analysieren und optimieren, was letztlich zu mehr Effizienz durch Transparenz führt.

Gut gewählte Grafiken bieten einen guten Überblick über die Struktur, während tabellarische Darstellungen durch ihre Einfachheit überzeugen und das Prozessmanagement direkt mit dem Wissensmanagement verknüpfen.  

In der Praxis lässt sich die QM-Dokumentenpyramide für ein Managementsystem wie folgt übersetzen:

  • Für die Prozesslandkarte ist es offensichtlich, dass eine grafische Darstellung die beste Wahl ist. Betrachtet man jedoch die anderen Ebenen, so stellt sich oft die Frage, welche Darstellungsform hier die richtige ist.  
  • Prozessübersichten werden ebenfalls meist grafisch dargestellt, da sie einen klaren Überblick verschaffen sollten.  
  • Prozessbeschreibungen und Teilprozesse sollten idealerweise, wie ein Kochrezept gestaltet sein, um die Durchführung zu unterstützen. Die Schnittstellen sind dabei bereits in der übergeordneten grafischen Ebene erkennbar. Ebenso werden die Schnittstellen in den Kochrezepten mit der Prozesstabelle dargestellt.
  • Teilprozesse lassen sich fast ausschließlich in Form von Kochrezepten abbilden.  
  • Arbeitsanweisungen sollten als detaillierte Kochrezepte mit Bildern oder sogar Videos gestaltet werden, um die Durchführung optimal zu unterstützen.  

Den richtigen Weg muss jeder individuell finden, indem er seine Ziele im Auge behält und sich immer wieder fragt: Für wen modelliere ich - für Menschen oder für Maschinen?

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