Carsten's Corner Folge 14: Prozessorientiertes Wissensmanagement

Dr. Carsten Behrens

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Dr. Carsten Behrens

Veröffentlicht am

24.10.2024

Carsten's Corner Folge 14: Prozessorientiertes Wissensmanagement

In dieser Folge von Carsten's Corner diskutieren Carsten Behrens und Vincent Fischer die zentrale Rolle von Wissensmanagement in modernen Unternehmen. Sie beleuchten, wie Wissensmanagement effektiv in bestehende Qualitäts- und Prozessmanagementsysteme integriert werden kann und welche Bedeutung es für die ISO 9001 hat. Anhand des SECI-Modells von Nonaka und Takeuchi erklären sie, wie Wissen im Unternehmen transferiert und geteilt werden kann – von implizitem zu explizitem Wissen und umgekehrt. Darüber hinaus thematisieren sie die größten Herausforderungen beim Aufbau von Wissensplattformen und geben wertvolle Einblicke, wie prozessorientiertes Wissensmanagement genutzt werden kann, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen langfristig zu sichern.

SECI-Modell, Nonaka & Takeuchi (1997)

Show Notes

00:00 – Intro

00:50 – Wie bedeutend ist Wissensmanagement in der heutigen Zeit?

02:24 – Diskussion über das allgemeine Verständnis und Missverständnisse von Wissensmanagement.

04:04 – Carsten erklärt die Verbindung zwischen Zeichen, Daten, Information und Wissen und leitet daraus seine Definition von Wissensmanagement ab.

05:28 – Carsten zitiert Fredmund Malik und diskutiert, ob man Wissen überhaupt managen kann.

06:40 – Einführung des SECI-Modells von Nonaka und Takeuchi: Sozialisierung, Externalisierung, Kombination, Internalisierung.

08:29 – Carsten erklärt die Phase der Kombination, bei der externalisiertes Wissen miteinander verknüpft wird.

09:45 – Diskussion über das Onboarding als zentralen Prozess im Wissensmanagement.

12:08 – Wissensplattformen in Unternehmen: Diskussion über die Rolle und Herausforderungen von Wissensplattformen.

15:03 – Carsten spricht über die Wichtigkeit, Wissen im Prozess zu strukturieren, um den richtigen Adressaten zu erreichen.

18:36 – Verbindung von Prozessmanagement und Wissensmanagement: Warum diese Kombination eine „Traumhochzeit“ ist.

20:20 – Praktische Tipps, wie man Wissensmanagement und Prozessmanagement erfolgreich verknüpfen kann.

23:38 – Carsten schließt die Episode mit einem Plädoyer für ein dezentrales, prozessorientiertes Wissensmanagement ab und spricht über die Herausforderungen, Wissen in Unternehmen zu managen.


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Vollständiges Transkript

Vincent Fischer

Carsten und ich sprechen heute über das Thema Wissensmanagement. Ein Thema, bei dem sich viele einig sind, dass es heute schon wichtig ist und zunehmend wichtig wird. Und wir werden darauf eingehen, wie du dann pack an kriegst und wie du das Thema Wissensmanagement erfolgreich mit dem Thema Qualitäts-und Prozessmanagement in deinem Managementsystem verheiraten kannst.

Vincent Fischer

Carsten, wir sprechen heute über Wissensmanagement und vielleicht fangen wir einfach mal an mit der Frage: Wie bedeutend ist Wissensmanagement in deinen Augen?

Carsten Behrens

Ja, ich finde das ein total spannendes Thema und dadurch, dass wir ein Enterprise-Wiki-Anbieter sind, verbindet man uns immer mit Wissensmanagement und deswegen gehe ich da am besten gerne drauf ein. Und zwar ist es so, dass es viele Studien dazu gibt, dass die Bedeutung von Wissensmanagement extrem hoch eingeschätzt wird, wenn man so eine Skala von 0 bis 10 hat, meistens so im Bereich von 8 bis 9. Und dann kommt Da habe ich noch die Frage: Wird sich das in Zukunft verstärken oder abschwächen? Und da ist die Rückmeldung, wenn man die Studien sich anschaut, noch eindeutiger. Es geht dann Richtung über 9. Also dass eigentlich alle sich einig sind, Wissensmanagement wird zukünftig noch wichtiger als in der Vergangenheit. Wir reden auch alle von der Wissensgesellschaft und von der Bedeutung des Wissensarbeiters. Also es ist eigentlich allen bewusst, dass das total wichtig ist. Gleichzeitig ist es sogar in die ISO 9001 reingekommen bei der letzten Normrevision, mit den Kapiteln hier 7.1.6 Wissen der Organisation und bei 7.2 kam noch noch Kompetenz. Das heißt, es hat sogar den Weg in die Normung gefunden, als sozusagen Mindestkriterium für Managementsysteme. Und die eigene Erfahrung bestätigt es ja irgendwie auch, dass es wichtig ist und dass der Anteil der Lernzeit, die wir im Alltag haben, wenn wir im Arbeitsumfeld unterwegs sind, immer größer wird und größer werden muss. Aber ich finde es total witzig, dass es trotzdem ein sehr diffuses Thema ist. Also es ist irgendwie, alle bestätigen, es ist total wichtig, aber es gibt wenig pack an, sozusagen: „Wie kriege ich das Thema gut gegriffen?

Vincent Fischer

Wie wäre denn da so das allgemeine Verständnis von Wissensmanagement, das du da wahrnimmst?

Carsten Behrens

Ja, es gibt so ein paar, ich hoffe, dass ich da demjenigen ein Unrecht tue, aber es gibt so ein paar Sachen, denen ich doch immer wieder begegne, wie zum Beispiel: „Wir brauchen dringend Wissensmanagement, also lasst uns doch eine Enterprise Search Engine einrichten, dann haben alle Mitarbeiter Zugang zu dem gesamten Wissen des Unternehmens. Enterprise Search Engine heißt so viel, wie „Wir durchsuchen alle Daten-und Informationsquellen des Unternehmens und machen das auffindbar über die Suche. Und das ist natürlich schon mal hilfreich oder das kann hilfreich sein. Das ist auch nicht in allen Fällen hilfreich, aber das löst natürlich nicht das eigentliche Wissensmanagementproblem. Wissensmanagement an sich ist schon noch ein bisschen größeres Thema. Da kommen wir gleich ein bisschen drauf zu sprechen. Oder was wir auch erlebt haben, komme ich auch nachher noch so ein bisschen darauf zu sprechen: In den 90er-und 2000er-Jahren war die Antwort auf viele Wissensmanagement-Herausforderungen, einfach ein Wiki zu installieren. Das war das so die Lösung: „Wir installieren Wiki und dann können die Leute ihr Wissen dort reinschreiben. Und dann haben wir das Thema Wissensmanagement Management ganz gut erschlagen. Das ist natürlich auch nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Das erlebt man doch relativ häufig. Und es gibt aber auch immer wieder, vor allem in großen Unternehmen, auch Wissensmanager, als Rolle, die sich meiner Erfahrung nach aber häufig doch recht schwer tun, das Thema Wissensmanagement wirklich zu systematisieren in der Organisation und wirklich einen großen Nutzen zu stiften. Aber das sind so die drei Sachen, die ich da erlebe. Und wir können jetzt vielleicht noch ein bisschen darauf eingehen, was Wissensmanagement denn ist und wie man das vielleicht ein bisschen strukturieren kann und sich dem Thema nähern kann.

Vincent Fischer

Gerne auch aus deiner Perspektive. Das ist ja so das allgemeine Verständnis oder vielleicht auch die Irrglauben, die du da wahrnimmst. Aber was ist denn aus deinem Verständnis heraus Wissensmanagement?

Carsten Behrens

Ich glaube, ich würde das erst mal über die Theorie erklären was hinter dem Wissensmanagement eigentlich steckt? Weil daraus leitet sich sehr stark auch ab, was ich da drunter verstehe. Erst mal muss man noch mal vielleicht in Erinnerung rufen. Ich denke, die meisten Zuhörer kennen das. Aber wie stehen eigentlich Zeichen, Daten, Informationen, Wissen und Kompetenz beziehungsweise Aktion zueinander. Also was davon ist eigentlich jetzt Wissen und was nicht. Was Zeichen sind, brauche ich nicht sagen. Wenn man ein paar Zeichen verknüpft, hat man Daten. Wenn man Daten zu einem Sinn zusammenfügt, dann hat man Informationen. Und wenn man diese Informationen in einen Kontext bringt, dann kommen wir zu Wissen. Und wenn wir Wissen tatsächlich anwendbar machen, dadurch, dass wir eine gewisse Expertise haben in der Umsetzung, also auch Erfahrung, dann kommen wir zur Aktion beziehungsweise zur Kompetenz. Das sind im Prinzip diese Stufen, die es dort gibt. Und vielleicht anekdotisch eine Sache, die ich ganz interessant finde, die zum Beispiel Fritmund Malik sagt, ist ja so ein Management-Lehrer aus Sankt Gallen, dass man Wissen eigentlich gar nicht managen kann. Das ist so eine These, die er in den Raum wirft, ein bisschen provokant. Er sagt, man kann Informationen managen, aber Wissen nicht.

Carsten Behrens

Man kann Informationsflüsse steuern, aber Wissen der Art Managen, geht eigentlich nicht, weil Wissen findet eigentlich immer zwischen zwei Ohren statt, nämlich in den Menschen, in den Köpfen. Und wenn man Menschen managt, dann nennen wir das einfach Management. Und das ist dann gar nicht mehr zu unterscheiden von Wissensmanagement. Finde ich eine ganz interessante Aussage. Kann man mal ein bisschen drauf rumkauen. Ob man dem zu 100% folgt, lasse ich offen, aber ich finde den Gedanken nicht ganz verkehrt. Aber trotzdem müssen wir uns irgendwie dem Thema nähern: Wie kann man Wissen systematisch handhaben? Und da ist aus meiner Sicht erst mal ganz zentral, dass viele, wenn es Wissensmanagement geht, eigentlich nur über aufgeschriebenes Wissen nachdenken. Das heißt, um externalisiertes Wissen, ist der Fachbegriff dafür, im Gegensatz zu impliziten Wissen. Und externalisiertes Wissen ist, wenn man das wahrscheinlich prozentual ausdrücken sollte, ist wahrscheinlich nur 10, 20% von allem, sondern ein Großteil des Wissens einer Organisation steckt einfach in den Köpfen und ist zum großen Teil auch gar nicht vernünftig externalisierbar. Ein schönes Beispiel, was eine Kollegin erarbeitet hat, ist: Versuch mal, jemandem zu erklären, wie man ein Schnürsenkel bindet. Am besten noch jemandem, der noch nie ein Schnürsenkel gesehen hat.

Carsten Behrens

Das ist so gut wie nicht externalisierbar. Wenn ich das aber jemandem vormache und wir das zusammen machen, dann kriegt man das ganz gut vermittelt, aber es ist sehr, sehr schwer, externalisierbar. Vielleicht über einen Film, das wäre dann ganz gut. Das wäre jetzt mal nicht schriftlich, sondern auch digital. Also erst mal die Unterscheidung in externalisiertes Wissen und implizites Wissen. Und in diesem Kontext finde ich es extrem schön, was 1997 von Nonaka und Takeuchi in Japan entwickelt wurde, ein Modell zum Wissensmanagement. Und darauf stützt sich, glaube ich, meine Denkweise dazu auch sehr stark. Und zwar ist es das SECI-Modell. Steht aus Sozialisierung, Externalisierung, Kombination und Internalisierung. Dafür steht SECI. Und Die Sozialisierung ist der Anteil, wo man implizites Wissen implizit übergibt. Das typische Beispiel ist ein Meisterschülerverhältnis. Wir machen das einfach gemeinsam oder ein Patenverhältnis. Ein Pate führt mich durch die Themenfelder durch. Oder ein Coach oder Mentoring. Das sind alles Themen, wo implizites Wissen übergehen wird. Da wird nicht zwischendurch aufgeschrieben, sondern einfach durch Vormachen, Nachmachen, Interaktion findet ein Wissenstransfer statt. Dann kommen wir zum Externalisieren. Das ist, wenn implizites dieses Wissen, was bislang implizit war, exzernalisiert wird. Also das Aufschreiben von Wissen, das Dokumentieren irgendeiner Form, das kann auch ein Film sein, es kann eine Tonspur sein, was auch immer, wo eben das Wissen erst mal gemeinsam fixiert wird und auch dieser Exzernalisierungsprozess dafür sorgt, dass diejenigen, die das gemeinsam Externalisieren, ein einheitliches Verständnis gewinnen und auch tatsächlich ein Wissenstransfer stattfindet, durchs Aufschreiben, durch das Exzernalisieren.

Dann haben wir die Phase oder den Aspekt der Kombination, das ist externes, also externes, externalisiertes Wissen. Das ist, wenn ein externalisiertes Wissen miteinander verknüpft wird und daraus nur was Neues generiert wird oder was Schlaures generiert wird. Das kennen wir zum Beispiel bei Prozessoptimierung. Wir machen uns Gedanken, haben einen beschriebenen modellierten Prozess, machen uns Gedanken, wie wir den besser machen können, vielleicht in den wir andere Aspekte mit einfließen lassen. Haben wir also zwei externalisierte Quellen, die wir zusammenfügen zu etwas hoffentlich Besserem. Diejenigen, die das tun, profitieren natürlich auch wieder vom Wissenstransfer. Und dann haben wir den abschließenden Quadranten, die abschließende Phase, das ist wieder aus der Externalisierung ins Implizite zu kommen. Das ist sozusagen das Konsumieren von einem externalisierten. Das ist zum Beispiel einfach Schulungsmaterial durchlesen oder Videos anschauen oder irgendwelche externen Schulungen besuchen, wo man irgendwas an Input generiert. Und das ist ein Stück weit auch ein Kreislauf, den man da letztendlich mit abbildet und bildet ganz gut ab, was eigentlich Wissensmanagement beinhaltet. Und jetzt kann man sich Gedanken darüber machen: „Was ist das denn jetzt operativ in der Praxis? Und ich habe es unterwegs schon mal schon ein bisschen erzählt. Das implizierte gerade so was wie Coaching, Onboarding durch einen Partner oder Ähnliches.

Und in anderen Phasen habe ich es, glaube ich, auch schon mal jeweils so ein bisschen beschrieben. Und da leitet sich, glaube ich, sehr stark mein eigenes Verständnis von Wissenmanagement ab und grenzt sich vielleicht auch ganz schön ab von einem anderen Modell, was es auch gibt, was ich aber nicht so hilfreich finde. Und deswegen möchte ich das auch noch mal kurz sagen: Es gibt diese acht Module oder acht Phasen des Wissensmanagement-Prozesses, nämlich Wissensziele definieren, Wissen identifizieren, Wissen erwerben, Wissen entwickeln, Wissen verteilen, Wissen nutzen, Wissen bewahren und Wissen bewerten. Das ist zwar sozusagen akademisch sinnvoll – Klammer auf – für mich wirkt es so ein bisschen aus dem Qualitätsmanagement abgeschrieben: Qualitätsziele definieren und so weiter. Das kann man so Ein bisschen haben wir einfach Worte ausgetauscht. Ist aber in der Operationalisierung der Durchführung irgendwie beliebig schwierig. Also schreib mal alles auf, was das Unternehmen an Wissen braucht und dann definiere, wie der Weg von heute mit einer Ist-Analyse zu diesem Soll-Ziel aussieht. Das ist aus meiner Sicht sehr abstrakt und sehr, sehr schwierig. Und ich finde es dann hilfreicher, mich an dem Seci-Modell zu orientieren und zu überlegen: Was gibt es denn für Prozesse? Wir schlagen auch gleich die Brücke zu Prozessen, wo man Wissenstransfer gezielt organisieren kann.

Und das ist aus meiner Sicht vor allem der Onboarding-Prozess, ein ganz zentraler Prozess, um Wissen aufzubauen und zu transferieren. Das ist der Rollenwechselprozess, wenn in der Organisation ein Rollenwechsel stattfindet. Das ist der Mitarbeiterentwicklungsprozess, wenn es darum geht, einen Mitarbeiter systematisch in seiner Rolle weiterzuentwickeln, was aus meiner Sicht über möglichst häufige Feedback-Gespräche usw. Eigentlich der beste Mechanismus ist und es eher nicht zentralistisch zu steuern und vorzugehen. Das finde ich eher schwierig, zumindest über das Gesamtunternehmen. Geht nur bei sehr einfachen Rollen, bei komplexen Rollen nicht gut. Und dann gezielt bei größeren Veränderungen der Organisation oder des Produkt Feld ist oder so was, dass man dann gezielt fragt: „Was für welche Kompetenzen müssen wir jetzt hier aufbauen, weil wir jetzt einen Standort da zukaufen, weil wir einen neuen Markt bedienen, weil wir ein neues Produkt entwickeln? Dann gibt es auch gezielten Kompetenzaufbaubedarf. Das sind aus meiner Sicht die ganz neuralischen Punkte, wo wo man sehr, sehr operativ drangehen kann und dann in diesen vier Quadranten denken kann: Was gibt es da? Implizit, implizit, implizit, explizit, explizit, explizit und explizit, implizit.

Vincent Fischer

Wo kommt da für dich das Thema Wissensplattformen ins Spiel? Also verstanden, modellhaft, wie du drüber nachdenkst, verstanden auch, wo Unternehmen das brauchen. Aber wenn man mit Unternehmen in der Praxis spricht, dann sagen die immer: „Wir brauchen eine Wissensplattform. Wo kommt die da für dich ins Spiel?

Carsten Behrens

Also erst mal, es gab ja diesen großen Hype in den 90er-, 2000er Jahren mit dem Wiki-System. Und da dachten viele, Wissensmanagement ist damit ganz gut erschlagen, wenn ich ein Wiki installiere und den Leuten eine Plattform biete, wo sie ihr Wissen konservieren, austauschen und gemeinsam weiterentwickeln können. Der Gedanke ist auch an sich nicht falsch, aber es gibt einige Learnings, die man im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte gemacht hat. Und zwar finden wir es immer sehr wichtig, zu unterscheiden zwischen gemanagten WIKIs und ungemanagten WIKIs. Ungemanagtes WIKI heißt, jeder darf einfach sein Wissen dort reinschmeißen, ohne dass es noch mal eine Freigabe gibt oder eine Kontrollinstanz oder irgendwie eine klar definierte Struktur. Das hat einen riesigen Vorteil, dass sich diese Systeme sehr, sehr schnell füllen. Hat einen riesigen Nachteil, dass sie erstens häufig auch mit fraglichen Inhalten bestückt werden, also mit fragwürdigen richtigen Inhalten, die Aktualität häufig sehr schnell nachlässt und damit der Wert des Contents sehr schnell nachlässt. Deswegen sind wir große Freunde von gemanagten WIKIs. Das heißt, dass es klare Seitenverantwortlichen gibt bei jeder Seite und dass es tatsächlich normalerweise auch ein Freigabe Workflow gibt. Das sorgt dafür, dass der Content sich deutlich langsamer generiert, aber die Content-Qualität über die Zeit eben deutlich höher ist.

Das andere ist, dass wir dem Ganzen ja eine klare Struktur mitgeben über die Prozessstruktur, über den Ansatz des prozessorientierten Wissenmanagements, den ich sehr, sehr spannend finde und gleich noch mal drauf eingehe. Aber ein großes Problem bei Wiki-Plattformen, so wie sie in den ersten Jahren und Jahrzehnten eingeführt waren, war, dass man die Anreizsituation erst mal so lernen musste, wie die wirklich funktioniert. Denn das Problem ist, dass wenn ich etwas ins Wiki reinschmeiße, hab ich keinen klaren Adressaten des Wissens. Das heißt, ich hänge da etwas hinein in der Hoffnung, dass irgendwann irgendwer das mal brauchen könnte. Und wir Menschen, wir kommunizieren nicht ohne Adressaten. Das ist total unnatürlich. Ich mache immer ganz gerne diesen Vergleich: Stellt euch einen Raum vor mit 4.000 Stühlen und eine Bühne und du redest dann ins nicht vorhandene Publikum. Das ist total unnatürlich. Das macht man nicht besonders lange, zumindest nicht natürlicherweise. Und genauso ist das, wenn ich in ein leeres, wenn ich in einen Wiki reinschreibe, ohne dass ich einen klaren Adressaten vor Augen habe, der das wahrscheinlich konkret lesen wird. Und das ist aus meiner Sicht ein riesiger Switch zum prozessorientierten Wissenmanagement, wo das Wissen in der Struktur der Prozesse abgelegt und strukturiert wird.

Weil dann habe ich einen klaren Adressaten des Wissens. Das ist nämlich derjenige, der zunächst mal diesen Prozess durchführt, an genau dieser Stelle im Prozess ist. Er bekommt da alle Informationen, Tipps, Hinweise, Learnings aus der Vergangenheit, die an dieser Stelle im Prozess sinnvoll sind. Das heißt, es gibt jetzt plötzlich einen klaren Adressaten meines Wissens, dadurch, dass ich das in Prozessstruktur abgebildet habe und der Konsument das dann im geeigneten Moment dann liest. Genau, das ist die Anreizsituation, die ein bisschen schwierig war. Das zweite ist das Thema gemanagte WIKIs und das dritte Thema ist die Frage der Struktur von WIKIs. Zugegeben sagt man, das reicht ja einfach, die Sachen zu taggen, dann findet man sie wieder. Aber tatsächlich hat Wissen einen ganz markanten Charakter, und zwar, dass es seinen Wert hat in Abhängigkeit des Kontextes. Das heißt, kontextfreies Wissen ist quasi wertlos. Dazu kommt, dass wir Menschen extrem unfähig sind, kontextfrei unser Wissen zu kommunizieren. Ich hoffe, ich rede heute hier nicht zu abstrakt, aber wenn ich dich frage: „Sag mal, alles, was du weißt, dann wird das echt schwierig, das zu sagen.

Vincent Fischer

Ja, und auch von der Motivlage. Wenn ich niemanden habe, von dem ich glaube, dass er es braucht, warum sollte ich das tun?

Carsten Behrens

Erstens das und zweitens, wir können es auch extrem schlecht abrufen ohne Kontext. Also zusammengefasst kann man sagen, Wissen ohne Kontext ist fast wertlos. Und das ist das Schöne, was das prozessorientierte Wissensmanagement eben auch mitbringt, dass das Wissen dadurch einen Kontext erhält und in diesem Kontext seinen Wert entfalten kann. Das heißt, ich habe einen klaren Adressaten, ich habe einen klaren Kontext und als drittes habe ich noch eine klare Struktur. Wikis der Vergangenheit hatten häufig das Problem, dass die Struktur doch sehr, sehr schwierig war, sauber aufrechtzuerhalten und so hat man versucht, mehrere Strukturierungsformen zu finden. Entweder einfach über Tagging, wobei man dann versucht hat, auch Tagging-Strukturen irgendwie zu schaffen. Oder man hat versucht, in Produktsstruktur aufzubauen oder man hat versucht, in Struktur des Organigramms aufzubauen. Aber die meisten dieser Strukturen haben das riesige Problem, dass man irgendwann merkt, dass die Struktur nicht mehr und umbricht, also eine disruptive Veränderung der Strukturen, damit es sonst völlig neu strukturiert von Beginn auf. Und das ist noch ein riesiger Vorteil der prozessorientierten Struktur, dass sich Prozesse in ihrer Grundstruktur eigentlich nicht revolutionär ändern, sondern nur evolutionär. Das heißt nicht, dass der Einkaufsprozess zum Beispiel sich nicht ändert und es kann auch große Umbrüche in der Ablaufstruktur dahinter geben, dass also die Rollen ganz andere sind, die jetzt durchführen, aber der, wie eingekauft wird, ist in der Grobstruktur immer gleich.

Vincent Fischer

Oder letztlich auch das eingekauft wird.

Carsten Behrens

Und das eingekauft wird, ist meist auch über Jahrzehnte konstant. Und deswegen ist die Prozessstruktur auch ein ganz hervorragendes Strukturierungsmittel, nicht nur aufgrund von klarem Adressaten und Kontext, sondern tatsächlich auch, weil es eine sehr gute, langfristig stabile Strukturierungsform ist. Jetzt könnte der eine oder andere sagen: „Ja, aber es lässt sich doch nicht alles Wissen einer Organisation in Prozessstruktur bringen. Es gibt doch auch Sachen, die sollten durchaus zum Beispiel in der Produktstruktur abgebildet sein. Das ist auch so, aber es gibt einen ganz zentralen Gedanken. Und zwar, selbst wenn ich jetzt einen Teil meiner Wissensplattformen in Produktstruktur aufbauen möchte, dann muss ich mir – und das ist ganz zentral – Gedanken darüber machen: An welcher Stelle im Prozess soll diese Wissensplattform gefüttert werden und an welcher Stelle im Prozess soll sie konsumiert werden. Wenn das nicht klar organisiert ist, dann bleibt es dieses Adressatenlose und es wird nicht vernünftig geschrieben und es wird nicht vernünftig konsumiert und es wird wirkungslos als Wissensplattform.

Vincent Fischer

Das klingt für mich ein bisschen nach zwei Disziplinen, also prozessorientiertes Wissensmanagement, hast du jetzt gesagt. Ich glaube, das geneigte Publikum hört da auch raus, Prozessmanagement und Wissensmanagement, nicht zuletzt in manchen Organisationen ja auch verschiedene Rollen. Wie siehst du da das Zusammenspiel oder wie kann da der eine vom anderen profitieren?

Carsten Behrens

Super Frage, weil unser Credo ist ja immer, dass wir sagen, das ist so eine Traumhochzeit. Managementsystem oder Prozessmanagement und Wissensmanagement? Und da stellt sich die Frage: Warum eigentlich? Das hängt damit zusammen, dass das synergetisch total sich ergänzt. Denn was wir im Themenfeld Management-System, QM-System, Prozessmanagement, sehr gut haben, ist, wir haben sehr saubere Strukturen. Wir haben klare Verantwortlichkeiten. Wir haben eigentlich in allen Unternehmen QMB oder Ähnlichen, der sich um das System moderierend kümmert. Und wir haben auch eine ganz gute Organisation drumherum. Das heißt, wir haben meistens ein Audit Management, wir haben irgendwie einen Schulungsprozess über die Veränderung von Content im Management System und so weiter. Das, woran die Managementsysteme aber meistens kranken, ist an dem gefühlten Nutzen des einzelnen Mitarbeiters. Dass er sagt, das bringt mir aber im Alltag nichts. Und das Wissensmanagement, die Wissenplattform, wie jetzt zum Beispiel Wikis, hatten immer den großen Vorteil, dass sie einen sehr schnell stark gefühlten Nutzen generiert haben, aber ihnen fehlte die Einbindung, die Verankerung der Organisation, ihnen fehlte eine klare Struktur, ihnen fehlte die klaren Adressaten. Und so ist das eine wunderbare Synergie zwischen genau diesen zwei Punkten. Wir haben auf der einen Seite dieses stark Strukturgebende und organisatorisch Verankerte aus einem Managementsystem, aus einem QM-System-Umfeld und auf der anderen Seite dieses stark Nutzen-stiftend, leichtgewichtige, best practice-konservierende und weiterentwickelnde, was eben diesen gefühlten Nutzen dann generiert.

Insofern ist das tatsächlich so eine Traumhochzeit zwischen zwei Disziplinen und wir sagen ja bis heute, das sagen wir seit 15 Jahren, dass wir heute das ganz zentral finden, diese Kombination von Disziplinen und dass wir bis heute keinen Ansatz kennen, Managementsysteme so lebendig zu bekommen, wie wir es heute machen, es sei denn eben über genau diesen Ansatz.

Vincent Fischer

Ja, so eine Traumhochzeit braucht man manchmal ein bisschen Planung oder ein bisschen praktische Tipps und ein bisschen Ehe Beratung. Was sind denn da einfach so aus deiner Erfahrung gesprochen, die praktischen Tipps, auf die man zurückgreifen kann, wenn man sagt: „Auf diese Hochzeit arbeite ich hin oder „Da sind wir vielleicht auch schon?

Carsten Behrens

Genau, also im Prinzip ist so ein bisschen die Frage, oder so verstehe ich sie jetzt gerade: Was kann man dem Wissensmanagement einer Organisation Gutes tun? Wie kann ich mich dem wirklich operativ nähern? Was könnte der Zuhörer jetzt direkt ab Morgen anders machen? Ich glaube, wichtig ist erst mal, das Verständnis zu schaffen. Wissensmanagement ist nicht einfach nur eine Enterprise Search Engine bauen oder einfach ein Wiki installieren, oder wird es schon, oder auch einfach als Wissensmanager im Unternehmen die Rolle zu schaffen. Das schafft jetzt auch noch nicht die Lösung des Problems, sondern meine Tipps wären: Versteht, wenn ihr eine Wissensmanagement-Plattform aufbauen wollt, dann dockt das unbedingt an das Thema Managementsystem an, in die Prozesse an. Das ist eine Traumhochzeit. Versucht nicht, ein separates Wissensmanagement, eine separate der Wissensmanagement-Plattform irgendwie noch mal aufzubauen, sondern mach das unbedingt prozessorientiert. Das zweite ist: Schau dir an, in welchen Prozessen wird am meisten Wissen transferiert und leg da ein besonderes Augenmerk darauf, dass das wirklich gut funktioniert. Und für mich immer ein Herzensthema ist das Thema Onboarding, weil man kann eine Person immer nur einmal onboarden. Wenn man das vermurxt hat, dann später irgendwie noch mal nachzukorrigieren, das ist immer schwierig bis unmöglich.

Und deswegen da eben sehr sauber darauf zu achten, wie organisiert man den Wissenstransfer da? Über Patenschaften, über Tandems, über natürlich gute Onboarding-Digitalformate oder auch über gute Hospitanzen im Unternehmen, dass man wo ich unterschiedliche Rollen durchläuft und so weiter. Das ist mir persönlich immer ein Herzensthema, weil ich glaube, dass damit ganz wahnsinnig viel steht und fällt. Und dann eben an diesen anderen neuralgischen Stellen, die ich ja eben auch schon gesagt habe, dass man sich die ganz genau anschaut. Und das zentrale ist eigentlich, dass man eine Struktur schafft in Unternehmen. Und Struktur heißt eben Prozesse, aber auch so was wie Arbeitsumgebung, bringt die richtigen Leute zusammen, dass sie im gleichen Büro arbeiten, schafft die räumliche Struktur, schafft Teams in geeigneten Kombination, definiere Projekte, die crossfunktional oder geeignet zusammengestellt sind, sodass da ein guter Wissenstransfer stattfindet. Organisiere das Unternehmen so, dass Wissenstransfer stattfindet. Das ist eine gute Chance auch für diesen Sozialisierungsaspekt gibt des implizit impliziten Wissens. Und das andere ist dann, Wissen zu externalisieren. Da ist häufig die Frage: „Aber wie viel müssen wir denn da exzternalisieren? Die Frage kennen wir auch aus dem Qualitätsmanagement „wie detailliert muss ich Prozesse beschreiben? Und da ist meine Antwort eigentlich immer: Versuche es nicht zu verkopfen, sondern mache es bedarfsgerecht.

Klingt zwar immer ein bisschen unzufriedenstellend für diejenigen, die da ganz gerne so ein Maß drei, sieben oder neun hätten. Aber das ist, glaube Das ist immer der Schlüssel. Das heißt, fange an, damit eine grobe Struktur zu definieren. Beschreib die Prozesse erst mal ganz grob. Und wenn es eine hohe Prozessklarheit gibt, eine hohe Wissensklarheit in den Prozessen, dann fummle da nicht weiter herum, dann ist alles gut. Aber wenn es eben häufig Rückfragen gibt, wenn es Fehler gibt, die entstehen aus fehlendem Wissen, wenn perspektivisch schon offensichtlich klar ist, dass Wissen erforderlich ist, was zu Problem führen könnte, wenn man es nicht hat, dann detailliere es aus und kümmere dich um Wissensquellen. Und ich bin nicht so ein großer Freund, das zentralistisch zu steuern, das Thema Wissensdefizite, Wissensmanagement und Ähnliches, also im Prinzip Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensnutzung und so weiter, dass man das zentralistisch steuert weil ich glaube, das geht nur sehr, sehr eingeschränkt, weil die zentrale Einheit kaum in der Lage ist, das einzuschätzen, wer eigentlich wie viel was Wissen braucht. Und da bin ich natürlich auch grundsätzlich ein Verfechter von partizipativer Unternehmensführung. So gestalten wir Prozesse. Aber so, glaube ich, sollte man auch Wissensmanagement gestalten und verstehen, dass man eine Struktur schafft und ein Vertrauen schafft, dass die Mitarbeiter sich äußern können, an welcher Stelle sie das Gefühl haben, dass ein weiteres, dass mehr Wissen oder ein anderes Wissen hilfreich ist, dass sie das äußern können, geeignet einfließen kann dann in die Mitarbeiter der Weiterentwicklung.

Und das kann sich dann auch im Prozess Wissen, explizitem Wissen niederschlagen, aber ich glaube, auch das muss recht dezentral passieren. Ich halte von so einem stark zentralistisch gestalteten Wissensmanagement nicht so viel.

Vincent Fischer

Weil du einfach mit der dass du diese Annahme nicht übereinstimmst, dass der Bedarf erkannt werden kann und auch nicht geeignet produziert werden kann von der zentralen Stelle?

Carsten Behrens

Richtig, genau. Das geht bei einfachen Rollen. Also wenn ich einen Maschinenbediener habe oder einen Staplerfahrer, dann kriege ich das wahrscheinlich noch relativ klar abgegrenzt, was ist das erforderliche Wissen und kann gezielt auch eine größte Personengruppe darauf hin entwickeln. Aber sobald wir uns ein bisschen komplexere Rollenprofile anschauen, wo das Anforderungsprofil etwas komplexer ist, wird das beliebig komplex. Also wenn man sich das anschaut, jetzt bei uns, so ein Softwareentwickler oder so was, ein Cloud Engineer. Also da vernünftig ein Wissensprofil zentralistisch sich zu überlegen. Am besten noch eine Person, die selbst kein Cloud Engineer ist. Das wird echt wahnsinnig schwierig. Das soll man den Cloud Engineers übergeben, zu hinterfragen: Welche Kompetenzen brauche ich jetzt? Welche in Zukunft? Und wie kommen wir da hin und wie kriegen wir einen guten Wissenstransfer sichergestellt?

Vincent Fischer

Da waren sicherlich einige praktische Tipps dabei und da kann ich Sie nur einladen, weiter uns zu verfolgen auf verschiedenen Kanälen, wenn das Thema prozessorientiertes das Wissensmanagement ein Thema ist, das Sie beschäftigt.

Carsten Behrens

Ja, wir haben das Thema Wissensmanagement so ein bisschen angerissen, aber natürlich noch überhaupt nicht erschöpfend behandelt. Und es gibt noch viele Sachen, die wir noch mehr dazu sagen könnten, die euch wahrscheinlich auch noch eine Menge helfen, wie zum Beispiel so ein kontextsensitives Wissensmanagement, wo Wissen wirklich zu den Menschen kommt und nicht die Menschen zum Wissen gehen müssen und Ähnliches. Wenn das für euch interessant ist, kommt gerne auf uns zu, dann können wir uns gerne darüber unterhalten und wir machen bestimmt auch bald noch eine Folge dazu. Bis dahin.

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